Agentische KI-Systeme gelten als nächste Evolutionsstufe der Künstlichen Intelligenz: Sie sollen eigenständig komplexe Aufgaben bewältigen, Entscheidungen treffen und mit anderen Systemen kooperieren. Doch wie realistisch ist das – und welche Rolle spielt Plattform-Software wie KNIME bei der Umsetzung solcher Technologien in der Praxis?
Von passiven Modellen zu aktiven Agenten: Was agentische KI wirklich bedeutet
Während klassische KI-Modelle auf reaktive Aufgaben wie Mustererkennung oder Prognosen limitiert sind, geht agentische KI einen Schritt weiter: Dabei handelt es sich um Systeme, die eigene Ziele verfolgen, autonom handeln und ihre Umgebung aktiv beeinflussen. In der Forschung spricht man oft von intelligenten Softwareagenten mit Sensorik, Aktorik und Entscheidungslogik.
Bekannte Frameworks wie ReAct (Reasoning + Acting), LangChain oder Auto-GPT zeigen dies bereits im Prototyp – die Systeme planen, delegieren Aufgaben an LLMs, interagieren mit APIs und passen Strategien an. Ziel ist eine neue Klasse von KI-Anwendungen, die nicht nur auf Anfragen reagieren, sondern initiativ Probleme lösen können: etwa als digitale Assistenten im Kundenservice, als Forschungsassistenten in der Wissenschaft oder zur Prozessautomatisierung in der Industrie 4.0.
Dies markiert einen Paradigmenwechsel in der KI-Anwendung – allerdings mit hohen Anforderungen an Sicherheit, Steuerbarkeit und Integration.
Potenzial: Wo agentische KI den größten Hebel bietet
Laut einer 2024 veröffentlichten Studie des MIT-IBM Watson AI Lab können agentenbasierte KI-Lösungen die Produktivität bei Aufgaben wie Datenanalyse, Softwarerecherche und Dokumentengenerierung um bis zu 73 % steigern, insbesondere bei Aufgaben mit mehreren Abhängigkeiten und Rückkopplungen.
Ihr größtes Potenzial entfaltet agentische KI dabei in Bereichen mit hohem Automatisierungsbedarf und komplexer Entscheidungslogik, etwa:
- Wissensarbeit & Forschung: AI-Agenten, die systematisch Informationen sichten, strukturieren und Reports schreiben.
- IT & DevOps: Automatisierte Fehlerdiagnose in Software-Systemen und selbststeuernde Logik in der Infrastrukturüberwachung.
- Marketing und E-Commerce: Digitale Agenten, die Zielgruppen analysieren, Kampagnen konzipieren und testen.
Diese Anwendungen profitieren nicht nur von der Rechenleistung heutiger Systeme, sondern auch von der Modularisierung durch Open-Source-Frameworks und No-Code-Plattformen. Eine besonders interessante Rolle spielt hierbei KNIME.
KNIME: Wie Workflows die Hürde zur agentischen KI senken
KNIME (Konstanz Information Miner) ist seit Jahren ein etabliertes Werkzeug für visuelle Datenanalyse und datengetriebene Workflows. In jüngster Zeit hat sich das Open-Source-Projekt neu positioniert – mit dem Ziel, agentische KI durch modulare Komponenten und Wiederverwendbarkeit für Unternehmen zugänglich zu machen.
KNIME erlaubt die Modellierung komplexer Logiken mittels grafischer Workflows – inklusive Integration externer APIs, Datenbankzugriffe, Python-/R-Skripte und, seit Version 5.x, auch nativer Zugriff auf OpenAI-, HuggingFace- und Cohere-Modelle. Das bedeutet: KI-Agenten lassen sich schrittweise in einer kontrollierten Umgebung entwickeln, testen und ausrollen.
Ein typischer Workflow könnte dabei so aussehen:
- Ein Decision-Node analysiert Kundendaten auf Anomalien.
- Ein externer LLM generiert auf dieser Basis Empfehlungen.
- Ein Follow-up-Knoten übermittelt Vorschläge als E-Mail oder über ein CRM-System – oder startet automatisiert eine neue Analyse.
Durch diese Modularität wird aus einem klassischen Entscheidungssystem eine agentische Logik, bei der das System Entscheidungen nicht nur trifft, sondern kontextsensitiv agiert.
Herausforderungen: Warum agentische KI nicht trivial ist
Die Entwicklung autonomer Agenten bringt gleich mehrere komplexe Herausforderungen mit sich – vor allem auf den Gebieten Kontrolle, ethische Verantwortung und Interoperabilität. Drei besonders zentrale Punkte:
- Explainability & Abgrenzung: Wie lassen sich Entscheidungen eines Agenten nachvollziehen? Und wo endet autonomes Handeln?
- Fehlerpropagation & Oversight: Agentische Systeme werden schnell komplex – eine falsche Entscheidung kann massive Auswirkungen haben, insbesondere bei automatisch agierenden Sub-Agenten.
- Sicherheit & Zugriffsrechte: Agenten, die APIs und Systeme ansteuern, benötigen klar definierte Grenzen und notfalls Not-Aus-Mechanismen.
Neben diesen technischen Aspekten ist auch das Kommunikationsdesign entscheidend: KI-Agenten interagieren zunehmend in natürlichen Sprachen – was Missverständnisse und Fehlinterpretationen fördern kann, sofern kein linguistisches Safety-Net besteht.
Diese Anforderungen erfordern nicht nur robuste technologische Frameworks, sondern auch klare Governance-Strukturen in Unternehmen. Nur so lassen sich agentische Systeme sinnvoll und verantwortungsvoll einsetzen.
Marktentwicklung und Chancen für Unternehmen
Auch wenn sich agentische KI heute noch vor allem in Laboren und Dev-Umgebungen bewegt, steigt das Interesse auf Unternehmensebene deutlich. Laut Gartner werden bis 2026 über 30 % der SaaS-Anbieter Agentenfunktionen in ihre Produkte integriert haben – sei es für automatisierte Analysen, Kundenreaktionssysteme oder selbstlernende Empfehlungssysteme.
Schon heute setzen Unternehmen wie Siemens, T-Mobile oder Roche auf frühe agentische Komponenten – etwa zur Prozesssteuerung oder im Dokumentenmanagement. Gleichzeitig adressieren Start-ups wie Adept AI, Cognosys oder LangChain Inc. genau diesen Bereich: Baukästen für Zielorientierung, Kontexthaltung und selektives Datenabrufen im Agenteneinsatz.
Für Unternehmen ergeben sich daraus neue Optionen – aber auch die Notwendigkeit, eigene Guidelines für agentische Systeme zu entwickeln.
Drei zentrale Handlungsempfehlungen für Entscheider
- Schrittweise erproben: Nutzen Sie agentische Konzepte zuerst in geschlossenen Testumgebungen – etwa mit Tools wie KNIME oder LangChain. Beginnen Sie mit einfachen Zielsystemen und klar definierten Kontextgrenzen.
- Transparenz priorisieren: Dokumentieren und visualisieren Sie Agentenentscheidungen stets nachvollziehbar – z. B. über Logging und Aktivitätspläne.
- Ethik und Governance einbinden: Erstellen Sie Risikoanalysen, binden Sie Legal- und Compliance-Teams frühzeitig ein und definieren Sie KPI-basierte Monitoringstrategien.
Fazit: Agentische KI als nächster Digitalisierungsschub?
Agentische KI birgt enormes Potenzial, Automatisierung und Entscheidungsfähigkeiten auf ein neues Level zu heben. Richtig eingesetzt, kann sie Prozesse vereinfachen, Innovation beschleunigen und sogar neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
Doch der Weg dorthin verlangt Investitionen: in Technologiekompetenz, Monitoringstrukturen, Teamweiterbildung – und vor allem in einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI, die uns bald nicht nur zuhört, sondern mitdenkt und mitentscheidet.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit agentischen KI-Systemen gemacht? Teilen Sie Ihre Insights und Use Cases mit der Community in den Kommentaren!