Micro-Frontends versprechen modulare Freiheit, während klassische Monolithen Stabilität und Einfachheit bieten – doch was eignet sich besser für kleine Webentwicklungsteams? Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und bietet eine praxisnahe Entscheidungshilfe basierend auf technischen Anforderungen, Teamstrukturen und realen Fallbeispielen.
Micro-Frontends und Monolithen – ein kurzer Überblick
Die Begriffe „Micro-Frontends“ und „Monolithen“ bezeichnen unterschiedliche Architekturstile in der Webentwicklung. Während der klassische Monolith ein zusammenhängendes Frontend bildet, das als eine Einheit gebaut, gebündelt und ausgeliefert wird, zerteilt das Micro-Frontend-Paradigma das UI in voneinander unabhängige, einzeln deploybare Module.
Micro-Frontends orientieren sich konzeptionell an Microservices: Jedes Feature-Team entwickelt, testet und deployed seinen Teil des Frontends selbstständig. Diese Architektur fördert Unabhängigkeit und Skalierbarkeit – zwei Aspekte, die vor allem bei großen Organisationen mit mehreren Entwicklerteams von Vorteil sind.
Demgegenüber steht der Monolith, der alle Komponenten in einem gemeinsamen Projekt beherbergt: einheitlicher Build- und Deployment-Prozess, klare Projektstruktur und weniger technischer Overhead. Genau diese Eigenschaften machen ihn für kleine Teams attraktiv – wenn die Komplexität überschaubar bleibt.
Vor- und Nachteile von Micro-Frontends für kleine Teams
Vorteile:
- Technologische Unabhängigkeit: Micro-Frontends ermöglichen es, verschiedene Frameworks und Technologien in einem Frontend zu kombinieren (z.B. React & Vue). Dies kann nützlich sein, wenn ein Team Expertise in unterschiedlichen Stacks mitbringt.
- Getrennte Deployment-Pipelines: Einzelne Teile des Frontends können unabhängig aktualisiert werden. Das reduziert Abhängigkeiten und vermeidet Big Bang Releases.
- Skalierung in der Zukunft: Wer mit dem Ziel skaliert (z.B. Produktwachstum, zusätzliche Entwickler), legt mit Micro-Frontends eine flexible Basis.
Nachteile:
- Komplexe Infrastruktur: Die Einrichtung eines konsistenten Build- & Deployment-Setups für jedes Micro-Frontend erfordert zusätzliche Tooling- und CI/CD-Kenntnisse.
- Inkonsistenzen im UI/UX: Unterschiedliche Teams und Technologien können Inkonsistenzen in Design und Benutzererlebnis fördern – besonders wenn kein zentrales Designsystem genutzt wird.
- Overhead in kleinen Teams: Bei kleinen Teams mit begrenzten Ressourcen kann die Verwaltung und Orchestrierung mehrerer Micro-Frontends zur Belastung werden und den Entwicklungsfluss ausbremsen.
Eine Umfrage von Software.com (2024) zeigt: Nur 17 % der kleinen Teams (bis 5 Entwickler) nutzen aktiv Micro-Frontends – vor allem wegen der technischen Einstiegshürde und Wartungsmehraufwände.
Stärken des klassischen Monolithen für kleine Produktionen
Gerade kleinere Teams profitieren häufig von der Einfachheit monolithischer Frontends. Im Gegensatz zu Micro-Frontends kann hier das gesamte UI in einem kohärenten Framework (z.B. Vue.js oder React) realisiert werden. Das senkt nicht nur die Komplexität, sondern beschleunigt Einarbeitung, Tests und Releases.
Monolithen eignen sich besonders gut für Produkte mit:
- klar definierten Anforderungen,
- einer überschaubaren Codebasis,
- wenigen Entwicklerteams und
- homogenen Technologien.
Ein weiteres Plus ist die reduzierte Kommunikationslast: Alle Entwickler arbeiten im selben Code-Repository mit gemeinsamen Konventionen – das fördert Kohärenz und Übersichtlichkeit.
Teamdynamik und Entwicklungsprozess im Fokus
Neben technischen Parametern spielen auch Teamstruktur und Arbeitsweise eine zentrale Rolle. Micro-Frontends erfordern verteilte Verantwortung und ein hohes Maß an eigenständigem Arbeiten. Bei kleinen Teams (1–5 Personen), die eng zusammenarbeiten, kann dies mehr Nach- als Vorteile bringen. Monolithische Setups hingegen fördern spontanen Austausch, Pair Programming und ein gemeinsames Mindset.
Besonders bei Startups oder MVP-Entwicklungen empfiehlt sich oft ein pragmatischer Ansatz: schnell funktionierende Produkte mit minimalem Set-up zur Marktreife bringen – ein klassisches Stärkegebiet von Monolithen.
Laut dem State of Frontend Report 2023 von The Software House nutzen 64 % der kleinen Unternehmen Monolithen als Architekturgrundlage für ihre Produkte. Ein Trend, der Effizienz und einfache Pflege priorisiert.
Fallstudien: Kleine Teams, große Wirkung – mit Monolith
Beispiel 1: Notion (frühe Phase)
In seiner Startphase setzte das Productivity-Tool Notion auf eine monolithische Architektur mit React. Das minimierte Overhead, verkürzte Release-Zyklen und erlaubte dem damaligen Vier-Personen-Team eine schnelle Iteration am Markt.
Beispiel 2: Crisp.chat
Das französische Startup (< 10 Entwickler) entwickelte sein gesamtes Messaging-Frontend als Vue-Monolith. Durch hohe Codekonsistenz und gemeinsames Testing kultivierte das kleine Team ein stabiles, wartbares Produkt ohne Micro-Komplexität.
Beispiel 3: Cal.com
Die Open-Source Scheduling Plattform Cal.com begann ebenfalls mit einem klassischen Monolithen in Next.js. Erst mit dem Eintritt neuer Teams und Funktionen (Pluginsystem, Marketplace) wurde über eine modulare Strategie nachgedacht – aber bewusst hybride verfolgt.
Wann lohnt sich Micro-Frontend-Architektur dennoch?
Micro-Frontends können auch in kleinen Settings sinnvoll sein – insbesondere bei verteilten Teams, hohen Anforderungen an Flexibilität oder Parallelentwicklung, etwa in Agenturumfeldern. Wenn mehrere Produkte auf geteilter Codebasis gleichzeitig entstehen (z.B. White-Label-Lösungen), kann modulare Trennung Vorteile bieten.
Empfehlenswert ist hier ein inkrementelles Vorgehen: Statt von Beginn an auf vollständige Segmentierung zu setzen, können einzelne Teilbereiche (z.B. Admin Panel oder Login-System) ausgelagert werden.
Technologien wie Module Federation (Webpack 5), Single-SPA oder Web Components erleichtern den Einstieg, sind aber nicht trivial in der Implementierung. Kleine Teams sollten realistisch Aufwand gegen Nutzen abwägen.
Praktische Empfehlungen für kleine Teams
- Evaluieren Sie Ihre langfristige Skalierstrategie. Ein Monolith ist schnell gebaut, aber schwer migrierbar. Eine klare Roadmap gibt Orientierung.
- Starten Sie mit einem modularen Monolithen: Trennt Komponenten logisch, haltet APIs stabil, meidet enge Koppelung – so bleibt die Tür zum späteren Aufsplitten offen.
- Setzen Sie auf ein zentrales Designsystem, egal bei welcher Architektur. Konsistenz im UI sichert Markenwahrnehmung und Nutzererlebnis.
Fazit: Balance zwischen Pragmatismus und Weitblick
Für kleine Webentwicklungsteams bleibt der Monolith oft die pragmatischere, wartungsärmere Wahl. Micro-Frontends bieten großes Potenzial – verlangen jedoch entsprechende Expertise, Infrastruktur und klare strategische Zielsetzungen. Statt einem Entweder-oder kann der „modulare Monolith“ eine sinnvolle Brücke sein.
Wie sieht es in eurem Projekt aus? Nutzt ihr bereits Micro-Frontends oder schwört ihr auf Monolithen? Teilt eure Erfahrungen und Best Practices in den Kommentaren oder im Forum – denn kein Architekturansatz ist universell, aber jeder kann weiterhelfen.