Hosting & Infrastruktur

Atlassians Umstellung auf die Cloud: Ein Paradigmenwechsel im Datencenter

Ein lichtdurchfluteter, moderner Büroarbeitsplatz mit fokussierten IT-Profis, die gemeinsam mit digitaler Cloud-Architektur im Hintergrund an der Migration von komplexen Datenstrukturen arbeiten – eine warme Atmosphäre voller Zuversicht und dynamischer Zusammenarbeit im Wandel zur Cloud.

Mit der vollständigen Fokussierung auf Cloud-Lösungen vollzieht Atlassian einen strategischen Schnitt – und zwingt tausende Unternehmen weltweit, ihre Infrastruktur neu zu denken. Die Abschaffung der Data-Center-Produkte hat weitreichende Konsequenzen für IT-Teams, die auf On-Premises setzen. Doch welche Optionen bleiben, und was bedeutet das für die Zukunft des hybriden Enterprise-Hostings?

Cloud first: Atlassians strategische Neuausrichtung

Im Oktober 2020 kündigte Atlassian eine tiefgreifende Änderung an: Die Server-Produkte Jira, Confluence, Bitbucket und Crowd werden eingestellt, die Datenbankprodukte im Data Center-Modell werden mittelfristig zurückgefahren. Ausschließlich die Cloud-Produkte stehen künftig im Zentrum der Weiterentwicklung. Der Verkauf klassischer Serverlizenzen wurde bereits im Februar 2021 eingestellt. Spätestens zum 15. Februar 2024 endet auch der Support offiziell.

Die Gründe für diesen Schritt sind vielschichtig. Atlassian nennt vor allem die gestiegene Nachfrage nach agiler, skalierbarer Cloud-Infrastruktur und den Wunsch nach Vereinheitlichung der Produktpfade. Laut Atlassians CTO Sri Viswanath sei der Schritt notwendig, „um Innovation schneller und verlässlicher in Millionen Teams weltweit zu bringen“.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Schon 2023 nutzten laut Atlassian mehr als 90 % aller Neukunden ausschließlich Cloud-Produkte. Der jährliche Cloud-Umsatz des Unternehmens stieg im FY2024 (Ende Juni) auf 3,3 Milliarden US-Dollar – ein Plus von rund 36 % gegenüber dem Vorjahr (Quelle: Atlassian FY2024 Investor Report).

Was bedeutet das für bestehende Data-Center-Kunden?

Auch wenn Atlassian das klassische Servermodell beendet, bleibt das Data Center-Angebot (für große, komplexe Enterprise-Installationen) vorerst erhalten – allerdings unter klaren Grenzen und ohne substanzielle Weiterentwicklung. Sicherheitsupdates und kritische Bugfixes werden in Atlassian Data Center voraussichtlich noch bis Februar 2028 bereitgestellt.

Dennoch ist der Druck auf migrationsresistente Unternehmen hoch. Der Fokus liegt eindeutig auf der Cloud: Neue Funktionen erscheinen ausschließlich in Cloud-Produkten. Innovationszyklen, Automatisierung, KI-gestützte Features – all das bleibt reinen Cloud-Nutzern vorbehalten.

Für Unternehmen mit strikten Compliance-Regeln oder hochsensiblen Daten – etwa im Gesundheits- oder Finanzsektor – stellt der Wegfall echter On-Prem-Lösungen ein erhebliches Risiko dar. Laut einer Umfrage von TechValidate im Auftrag von Atlassian (2023) nennen 51 % der Enterprise-Kunden regulatorische Vorgaben als Hauptgrund für die Nutzung von Data-Center-Produkten.

Technologische Auswirkungen: Migration als Kraftakt

Die Umstellung auf die Atlassian Cloud ist technisch wie organisatorisch anspruchsvoll – vor allem bei komplexen, über Jahre gewachsenen Jira- oder Confluence-Instanzen. Unterschiede in der Architektur, Limitierungen bei APIs oder Plugin-Kompatibilitäten stellen Migrationsteams vor erhebliche Herausforderungen.

Ein zentrales Problem: Nicht alle Marketplace-Erweiterungen stehen in der Cloud-Version zur Verfügung oder müssen durch kostenpflichtige Alternativen ersetzt werden. Unterschiedliche Authentifizierungsmethoden (SSO, LDAP-Integration) oder fehlende Mandantenfähigkeit in bestimmten Cloud-Plans zwingen viele Teams dazu, Workflows grundlegend neu zu gestalten.

Atlassian wirbt zwar mit Tools wie dem „Cloud Migration Assistant“, dennoch kritisieren viele Administratoren mangelnde Transparenz bei Leistungskennzahlen oder Downtime-Informationen während der Migration. Laut einer Analyse des Beratungshauses Adaptavist (2024) benötigen mittlere Jira-Instanzen mit Custom Workflows etwa 3–6 Monate für eine valide Cloud-Migration – oft mit hohem personellen Aufwand.

Doch es gibt auch klare Vorteile: Cloud-Nutzer berichten von signifikant kürzeren Release-Zyklen, automatisierten Backups, verbesserter Performance bei großen Projekten und einem insgesamt geringeren Wartungsaufwand.

Welche Ausnahmen bleiben bestehen?

Trotz des Strategiewechsels schließt Atlassian nicht alle Arten von Data Center aus. Für besonders große Unternehmen ab 5.000 Usern besteht nach wie vor die Möglichkeit, eine Data Center-Instanz mit einem Enterprise-Vertrag zu betreiben. Auch Bundes- oder Landesbehörden können über Sondervereinbarungen weiterhin lokal gehostete Produkte nutzen, sofern Datenschutzgesetze dies erfordern.

Atlassian bietet in Partnerschaft mit AWS und Azure auch „Cloud on your Terms“-Modelle, bei denen Kunden Cloud-Produkte in einer dedizierten Virtual Private Cloud (VPC) betreiben können. Diese Variante adressiert besonders Sicherheitsbedenken jedoch zu einem deutlich höheren Preis und administrativem Aufwand als Standard-Cloud-Lösungen.

Kleinere Unternehmen ohne DevOps-Erfahrung stehen vor der Wahl: Entweder sie migrieren auf die offiziell unterstützten Atlassian-Cloud-Pläne (Standard, Premium oder Enterprise) oder wechseln zu einem Alternative-Produkt (z. B. OpenProject, YouTrack oder monday.com).

Markttrends: Hosting-Wandel im gesamten Ökosystem

Die Entscheidung von Atlassian spiegelt einen größeren Trend wider: Immer mehr Softwarehersteller stellen ihre Produkte auf ein Cloud-only-Modell um. Microsoft, Adobe, GitLab und SAP forcieren ähnliche Strategien, oft aus wirtschaftlichen Gründen. Cloud-first sichert nicht nur wiederkehrende Umsätze, sondern ermöglicht Anbietern eine effektivere Produktpflege und Innovationsgeschwindigkeit.

Laut einer Studie von Gartner aus dem Jahr 2024 wird bis 2027 rund 85 % der Enterprise-Software ausschließlich in der Cloud ausgeliefert werden (Quelle: Gartner Cloud Strategy Survey 2024). Unternehmen müssen ihre Hosting-Strategien langfristig anpassen und regulatorische Hürden technisch wie juristisch adressieren.

Besonders im europäischen Raum führt dies zu Spannungen: Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Schrems-II-Urteil und nationale Sicherheitsvorgaben verhindern häufig eine einfache Cloud-Nutzung. Viele Unternehmen weichen auf europäische Cloud-Anbieter wie IONOS, OVHcloud oder T-Systems Open Telekom Cloud aus – oder setzen auf hybride Szenarien mit Datenhaltung im eigenen Rechenzentrum und Cloud-Funktionalität für Collaboration.

Drei konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen

  • Migrationsstrategie entwickeln: Beginnen Sie frühzeitig mit der Analyse Ihrer bestehenden Atlassian-Instanzen. Nutzen Sie Assessment-Tools zur Evaluierung von Projekten, Nutzern, Workflows und Add-ons.
  • Compliance prüfen: Klären Sie mit Ihrer Rechtsabteilung, welche regulatorischen Anforderungen Ihre Branche stellt – und ob eine Atlassian-Cloud diese Vorgaben erfüllt (z. B. ISO 27001, DSGVO, FINMA).
  • Cloud-TCO analysieren: Vergleichen Sie nicht nur Lizenzkosten, sondern betrachten Sie auch Betrieb, Wartung und Skalierbarkeit der Cloud-Modelle im Vergleich zu Ihrer On-Premises-Lösung.

Fazit: Ein neues Kapitel in der Hosting-Strategie

Mit der Abkehr vom klassischen Hosting-Modell hin zur Cloud-only-Strategie setzt Atlassian ein deutliches Zeichen: Die Zukunft ist agil, automatisiert und zentral aus der Cloud gesteuert. Für IT-Abteilungen bedeutet dies einen erheblichen Transformationsprozess – von der Technologie bis zur Organisationsstruktur.

Ob als Chance zur Modernisierung oder als Zwang zur Migration wahrgenommen: Die Entscheidung zur Cloud ist gefallen. Unternehmen, die frühzeitig auf die Entwicklung reagieren, können ihre digitale Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Jetzt ist die Community gefragt: Welche Erfahrungen habt ihr mit der Migration gemacht? Teilt eure Learnings, Tools und Strategien mit uns – wir freuen uns auf regen Austausch!

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