Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant – schneller als viele Regierungen, Unternehmen oder Gesellschaften folgen können. Doch während die wirtschaftlichen Chancen enorm sind, nehmen auch die Risiken mit jeder neuen Generation KI-Systeme zu. Eine weltweite Allianz aus Politik, Wissenschaft und Industrie will nun ein globales Regelsystem etablieren – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Zukunft der Technologieentwicklung.
Der Ruf nach globaler KI-Governance
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass nationale Alleingänge beim Thema KI nicht ausreichen. Die Systeme operieren global, Entscheidungen einer Plattform in Kalifornien können heute in Lagos, Berlin oder Jakarta zu realen sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Effekten führen. Vor diesem Hintergrund entstand 2024 die „International Alliance for AI Safety and Governance“ (IAASG), ein Zusammenschluss von über 45 Ländern, internationalen Organisationen (u. a. UN, OECD, EU) sowie Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Die Allianz hat sich zum Ziel gesetzt, ein erstes internationales Abkommen über grundlegende Regeln für den sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit KI zu entwerfen. Ein vergleichbares Rahmenwerk gibt es bislang nur national oder sektorübergreifend – etwa in Form des EU AI Act, der seit 2025 in Kraft ist, oder der Executive Order von US-Präsident Joe Biden vom Oktober 2023. Was fehlt, ist eine stabile Koordination zwischen Rechtsräumen und ein globales Risikomanagement.
Welche Risiken stehen im Fokus?
Im Zentrum der Allianz-Bemühungen stehen fünf prioritäre Risikofelder. Diese wurden in einem gemeinsamen Policy Paper vom Frühjahr 2025 benannt und finden breite Unterstützung unter Expertinnen und Experten:
- Missbrauch durch autoritäre Regime: Deepfakes, automatisierte Überwachung und Repressionssysteme gehören zu den drängendsten Anliegen.
- Desinformation: Generative KI-Modelle sind leicht zugänglich und können täuschend echte Fake News und manipulierte Inhalte massenhaft reproduzieren.
- Jobverlust und soziale Ungleichheit: Studien der ILO und McKinsey Global Institute betonen, dass zwischen 2030 und 2035 bis zu 800 Millionen Jobs durch Automatisierung gefährdet sein könnten (Quelle: McKinsey, 2023).
- Autonome Waffensysteme: Die Angst vor bewaffneten KI-Systemen ohne menschliche Kontrolle ist real – hier liegt ein Fokus auf internationalen Rüstungskontrollmechanismen.
- Systemische Fehlentscheidungen von KI: Medizinische Fehlanalysen, Diskriminierung bei Bewerbungsprozessen oder Fehlverhalten in Finanzsystemen aufgrund von Trainingsdaten-Bias gewinnen an Brisanz.
Ein aktueller Bericht des World Economic Forum zeigt, dass 69 % der befragten Entscheidungsträger:innen weltweit KI als eines der größten geopolitischen Risiken der kommenden Dekade bewerten (Quelle: WEF Global Risks Report 2025).
Was ein globales Abkommen erreichen will
Ein zentrales Ziel der Allianz ist die Schaffung eines multilateralen Rahmens, der auf bestehenden Standards aufbaut – etwa der UNESCO-Empfehlung zur Ethik der Künstlichen Intelligenz (2021) – und diese durchsetzbar macht. Diskutiert werden unter anderem folgende Kernelemente:
- Transparenzpflichten für Entwickler hochperformanter KI-Modelle hinsichtlich Trainingsdaten, Entscheidungskriterien und Fehlerquoten.
- Mechanismen zur Rechenschaftspflicht bei Fehlfunktionen oder Missbrauch von KI-Technologien mit internationaler Schlichtungsstelle.
- Verbot bestimmter Anwendungen wie autonome letale Waffensysteme oder biometrische Massenüberwachung.
- Verpflichtende Impact Assessments ab einem bestimmten Leistungsniveau vor Einführung neuer KI-Systeme am Markt.
- Förderung globaler Forschung zu sicheren KI-Architekturen, Fairness und Robustheit durch gemeinsame Labore.
Der Vorstoß wird etwa von Kanada, Japan und der Europäischen Kommission aktiv mitgetragen. Auch Tech-Unternehmen wie Microsoft, Meta und OpenAI haben Interesse signalisiert, obwohl konkrete Zusagen von Seiten der Wirtschaft bislang zögerlich ausfallen.
Herausforderungen auf dem Weg zur Einigung
Der Weg zu einem globalen KI-Abkommen ist steinig. Interessen divergieren erheblich; während westliche Demokratien primär an ethischen Standards interessiert sind, fokussieren autoritäre Staaten wie China oder Russland eher auf technologische Führerschaft und geopolitische Vorteile. Dazu kommt die schwierige Frage der Normdurchsetzung: Welche Organisation soll Sanktionen bei Verstößen verhängen können? Und wie erreicht man Einheit im Umgang mit Open-Source-Modellen?
Eine praktische Initiative ist das geplante „Global AI Risk Observatory“, eine Monitoring-Plattform unter der Ägide der OECD und der UNO, die Missbrauch und sicherheitsrelevante Entwicklungen dokumentieren soll. Ferner steht eine internationale Datenbank an, in der Vorfälle KI-bedingter Schäden systematisiert und analysiert werden sollen.
Was Unternehmen heute tun können
Auch ohne internationales Abkommen können Organisationen bereits jetzt Verantwortung übernehmen und Innovation mit Weitsicht gestalten. Drei Empfehlungen für Unternehmen und Entwickler:
- Implementieren Sie interne Governance-Richtlinien, die ethische Leitplanken für den Einsatz von KI vorgeben – idealerweise entlang bestehender Standards wie ISO/IEC 42001 oder dem AI Act.
- Verankern Sie diverse Evaluierungs- und Feedback-Teams frühzeitig in Ihre Entwicklungsprozesse, um Fairness-Probleme und Risiken zu erkennen.
- Setzen Sie auf transparente und prüfbare KI-Systeme – sowohl für interne Audits als auch zur Kommunikation mit Stakeholdern.
Diese Maßnahmen fördern nicht nur Regeltreue, sondern stärken auch das Vertrauen in Ihre Technologie gegenüber Kundschaft, Investoren und der Öffentlichkeit.
Fazit: Eine globale Verantwortung für eine globale Technologie
Obwohl der Weg zu einem internationalen Regelwerk voller politischer, technischer und ökonomischer Stolpersteine ist, zeigt die IAASG-Initiative: Der Wille zur Zusammenarbeit ist da. Die kommenden Monate und die geplante Unterzeichnung erster Richtlinien auf dem „Global Summit on AI Safety“ im Frühjahr 2026 werden zeigen, ob ambitionierte Visionen in konkrete Maßnahmen überführt werden können.
Die Zukunft der KI ist zu bedeutend, um sie dem Zufall oder Einzelinteressen zu überlassen. Politische Verantwortung, wirtschaftliches Interesse und wissenschaftliche Integrität müssen Hand in Hand gehen. Diskutieren Sie mit: Welche Regeln halten Sie für notwendig? Welche Rolle sollte Ihr Unternehmen spielen? Schreiben Sie uns Ihre Perspektive – die Debatte beginnt jetzt.