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Feedback zum Deutschland-Stack: Öffentliche Beteiligung und technische Debatten

Eine helle, einladende Szene in einem modernen Büro, in der diverse Entwickler und Experten bei natürlichem Tageslicht angeregt an Laptops und Tablets über digitale Lösungen diskutieren, während warme Sonnenstrahlen sanft durch großflächige Fenster fallen und eine Atmosphäre von Zusammenarbeit und technologischem Aufbruch schaffen.

Mit dem Deutschland-Stack will die Bundesregierung einen einheitlichen Technologie-Standard für die digitale Verwaltung schaffen. Doch der ambitionierte Bauplan verlangt nicht nur technologische Präzision, sondern auch gesellschaftlichen Rückhalt – darum hat das Digitalministerium nun zur öffentlichen Beteiligung aufgerufen. Welche Impulse, Kritikpunkte und Perspektiven werden aus der Tech-Community laut? Wir geben einen fundierten Überblick zum Stand der Debatte.

Was ist der Deutschland-Stack?

Der sogenannte Deutschland-Stack ist eine technische Rahmenarchitektur für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Ziel ist ein interoperabler, sicherer, datensouveräner und EU-kompatibler Technologie-Stack, der bestehende Insellösungen ablöst. Er besteht aus modularen Komponenten – von Open Source Software über API-Standards bis hin zur Dateninfrastruktur – und soll Verwaltungsprozesse vom Bund bis zur Kommune modernisieren.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) veröffentlichte im Juni 2024 das Konzeptpapier „Deutschland-Stack – Digitale Infrastruktur souverän gestalten“ und rief explizit zu Feedback aus der Zivilgesellschaft, der Tech-Szene und der Wirtschaft auf. Dabei konnten Beiträge bis zum 30. September 2025 über eine offene GitHub-Plattform oder per E-Mail eingereicht werden.

Die Resonanz auf diesen Beteiligungsprozess ist bislang beachtlich – was nicht zuletzt an der offenen Lizenzierung (Apache 2.0), der konkreten technischen Ausrichtung und der Chance auf reale Einflussnahme liegt.

Die Rolle der Tech-Community: Intensiv, aber polarisiert

In der Entwickler- und IT-Community wird der Vorstoß mehrheitlich begrüßt. Besonders der Open-Source-Fokus und die Abkehr von proprietären Komplettlösungen stießen auf Zustimmung. Viele Entwickler loben, dass der Stack bestehende Anwendungen wie FOSS-basierte Fachverfahren, XÖV-Standards oder das Once-Only-Prinzip mit modernen Schnittstellen verknüpft.

Doch es gibt auch Kritik an der Umsetzung – vor allem an mangelnder technischer Detaillierung und dem Fehlen verbindlicher Roadmaps oder Referenzimplementierungen.

Ein zentrales Diskussionsfeld ist die angestrebte Cloud-Strategie. Während das BMDV souveräne Cloud-Lösungen wie die Open Telekom Cloud oder europäische Anbieter wie Cleura und Scaleway ins Auge fasst, pochen einige Experten auf strikte GAIA-X-Kompatibilität und Datenspeicherung ausschließlich in Deutschland. Die Debatte spiegelt die allgemeine Unsicherheit über europäische Cloud-Initiativen wider.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Authentisierung und digitale Identität. Der Deutschland-Stack sieht u.a. vor, die BundID als zentrales Identitätsgateway aufzubauen. Doch das stößt bei Datenschützern und föderalen Akteuren auf Widerstand. Einige Ersteller von Feedbacks auf GitHub forderten die Integration dezentraler Identitätsstandards (Self-Sovereign Identity, kurz: SSI).

Erste statistische Einordnung: Beteiligung und Rückmeldungen

Wie groß ist das tatsächliche Interesse? Laut offizieller Übersicht des BMDV gingen bis Anfang Oktober 2025 über 320 qualifizierte Feedback-Vorschläge über GitHub sowie rund 200 Beiträge per E-Mail ein. Die Kommentare stammen zu über 60 % aus der Entwickler-Community und Wissenschaft, 25 % aus Unternehmen und Start-ups, der Rest aus Zivilgesellschaft und kommunalen Behörden.

Besonders häufig wurden dabei drei Themencluster adressiert:

  • Die fehlende klare technische Spezifikation des Anwendungsschicht-Modells
  • Der Wunsch nach Open-Source-Referenzimplementierungen
  • Die strategische Verankerung digitaler Souveränität gegenüber Hyperscalern

Diese Daten zeigen: Die Technologiegemeinschaft sieht im Deutschland-Stack sowohl Potenzial als auch Risiken. Entscheidend wird sein, wie aus Meinungen Empfehlungen werden – und daraus produktiver Code.

Technologiebausteine: Was steht zur Diskussion?

Die Architektur des Deutschland-Stacks ist in drei Ebenen gegliedert: Basisdienste und Infrastruktur, Digitale Identitäten und Standards und Fachanwendungen und Schnittstellen. Für jede Ebene wurden erste Referenzkomponenten vorgeschlagen – z. B.:

  • Open-Xchange und Nextcloud als mögliche Kollaborationsdienste
  • Keycloak für föderierte Authentifikation
  • Konnektoren wie die Georeferenzierte Open-Data-Gateway-Spezifikation

Kritisch wird hier insbesondere die technologische Integration diskutiert: Wie standardisiert sind die APIs? Wie werden Legacy-Systeme eingebunden? Und welche Sicherheitsebenen sind verpflichtend?

Stimmen aus dem Branchenverband Bitkom, von Dataport und vom Open Source Business Alliance e. V. warnen vor einem Flickenteppich, wenn Bund, Länder und Kommunen ihre Anwendungen anhand zu vager Spezifikationen selbst interpretieren.

Was sagen Unternehmen und Datenschutz-Experten?

Wirtschaftsverbände wie Bitkom begrüßten in einer Stellungnahme (September 2025) die Offenheit des Prozesses, forderten jedoch „verbindliche Implementierungsrichtlinien“ sowie den „Einbezug von Wirtschaftspartnern in Piloten“. Gründerinnen aus GovTech-Startups sehen im Deutschland-Stack eine Chance für geregelte Schnittstellen – sofern öffentliche Ausschreibungen entsprechend angepasst werden.

Datenschutzinitiativen zeigen sich dagegen deutlich kritischer. Der Verein Digitalcourage etwa bemängelte die „zentralisierte Ausrichtungslogik“ von Diensten wie der BundID und sprach sich für dezentrale Identitätsrahmenwerke (z. B. eIDAS 2-kompatible Wallets) aus.

Datensicherheits-Aspekte sind laut des TÜV-IT-Monitors 2025 für über 70 % der befragten IT-Verantwortlichen ein zentrales Umsetzungskriterium bei Verwaltungsdigitalisierung. Zudem fordern Expertengremien wie acatech eindeutige Governance-Strukturen und Sicherheitszertifizierungen für Basisdienste.

Wie man sich einbringen kann – Beteiligung in der Praxis

Für interessierte Bürgerinnen, Entwickler und Unternehmen gibt es konkrete Wege zur Mitgestaltung:

  • GitHub-Plattform: Die offizielle Diskussionsplattform unter https://github.com/BMDV/deutschland-stack zeigt alle bisherigen Beiträge und erlaubt Kommentare sowie eigene Vorschläge per Pull Request.
  • E-Mail-Feedback: Stellungnahmen konnten bis zum 30.09.2025 an deutschlandstack@bmdv.bund.de eingereicht werden (laut BMDV sollen spätere Beiträge ebenfalls berücksichtigt werden).
  • Workshops & Developer-Challenges: Mehrere Hackathons und Digitalkonferenzen im Herbst 2025 (u. a. auf der Smart Country Convention) ließen sich aktiv für Netzwerke und Ideeneinreichungen nutzen. Auch 2026 sind weitere Veranstaltungen angekündigt.

Praktische Tipps für Unternehmen und Tech-Akteure:

  • Analyse der Stack-Komponenten und Bewertung eigener Entwicklungskapazitäten im Kontext öffentlicher Ausschreibungen
  • Kontaktaufnahme mit kommunalen Rechenzentren oder föderalen IT-Dienstleistern zur Pilotintegration
  • Frühe Einbindung in Konsortialprojekte rund um Open Source-Komponenten oder Gaia-X-kompatible Cloud-Dienste

Ausblick: Vom Plan zur Plattform?

Der Deutschland-Stack steckt noch in einem frühen Reifestadium – doch die positive Aufnahme des Konzepts und das transparente Feedbackverfahren erhöhen die Chancen auf echte Veränderungen. Entscheidend wird sein, ob das BMDV die Impulse nun systematisch in konkrete Maßnahmen, Prototypen und Ausschreibungsmodalitäten übersetzen kann.

Langfristig könnte der Stack als Plattform fungieren, die erstmals gemeinsame Standards über föderale Grenzen hinweg etabliert – ein Sprung, der nicht nur technologisch, sondern auch institutionell ambitioniert ist.

Während die über 500 eingegangenen Rückmeldungen ein lebendiges Bild zeichnen, rücken Beteiligungsprozesse und technische Verbindlichkeit nun ins Zentrum der nächsten Entwicklungsphase.

Gemeinsam digital gestalten

Der Deutschland-Stack ist mehr als ein Technologieprojekt – er ist ein Testlauf für digitalstaatliche Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert. Dabei zählt jede Stimme. Ob als Entwickler, Unternehmerin, Behörde oder digitale Bürgerin: Wer jetzt mitgestaltet, bestimmt mit, wie unsere Verwaltung von morgen funktioniert. Jetzt ist der Moment, Feedback zu hinterlassen, mitzureden – und mitzubauen.

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