Webdesign & UX

Die Rolle von UX bei der Barrierefreiheit: Nutzerzentriertes Design im Fokus

Ein hell erleuchteter, moderner Arbeitsplatz mit einem lachenden UX-Designer, der gemeinsam mit einer Person im Rollstuhl konzentriert an einem Bildschirm sitzt, umgeben von Notizen und Skizzen zum barrierefreien Design, strahlend warmes Tageslicht durchflutet den Raum und vermittelt eine einladende, inklusive Atmosphäre.

Barrierefreiheit im Web ist mehr als nur eine Frage der Technik – sie ist ein zentraler Aspekt guter User Experience (UX). Nutzerzentriertes Design kann digitale Barrieren abbauen und das Web für alle zugänglich machen. Doch wie gelingt das in der Praxis?

UX und Barrierefreiheit: Zwei Seiten derselben Medaille

Barrierefreies Webdesign wird häufig als rein technische Disziplin betrachtet – dabei ist es vor allem eine Frage des Verständnisses für die Nutzerbedürfnisse. UX-Design, mit seinem Fokus auf nutzerzentrierte Gestaltung, nimmt eine Schlüsselrolle ein. UX und Accessibility teilen die selben Ziele: für alle NutzerInnen eine intuitive, verständliche und effiziente Nutzung digitaler Produkte zu ermöglichen.

Die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheit der Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (EU 2016/2102) und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzen in Deutschland verbindliche Anforderungen – auch für viele Wirtschaftsakteure ab 2025. UX-Designer sind daher gefordert, Barrierefreiheit nicht nur umzusetzen, sondern strategisch mitzugestalten.

Warum Nutzertests unverzichtbar sind

Barrierefreiheit kann nicht allein durch Richtlinieneinhaltung garantiert werden. Nur Nutzertests mit echten Menschen – insbesondere solchen mit Behinderungen – zeigen auf, wo reale Barrieren bestehen. Studien belegen: Menschen mit Behinderungen stoßen auf bis zu 3-mal mehr Navigationsprobleme auf Websites im Vergleich zu Personen ohne Einschränkungen (Quelle: WebAIM, Screen Reader User Survey #9, 2021).

Ein häufig übersehener Aspekt: Barrierearme Designentscheidungen kommen allen zugute – auch älteren Nutzern, Menschen mit temporären Einschränkungen oder geringem digitalen Vorwissen. UX-Tests unter möglichst diversen Nutzergruppen fördern also eine universell bessere UX.

Wie UX-Designer Barrieren identifizieren

Professionelle UX-Designer nutzen verschiedene Methoden, um digitale Barrieren aufzudecken:

  • Personas mit Einschränkungen entwickeln: Die Erweiterung klassischer Personas um körperliche, kognitive oder sensorische Einschränkungen schafft Bewusstsein und Fokus im Designprozess.
  • Accessibility Audits durchführen: Tools wie Axe, Lighthouse oder WAVE helfen beim strukturierten Aufspüren technischer Barrieren wie fehlender ARIA-Rollen oder Kontraste.
  • Partizipatives Design einführen: Menschen mit Behinderungen aktiv in die Konzeption einbinden („Co-Creation“) erhöht die Qualität barrierefreier UX erheblich.

Eine Untersuchung von Deque Systems aus dem Jahr 2023 zeigt, dass in Projekten mit frühzeitig eingebundenen Nutzern mit Behinderungen die Anzahl der kritischen Barrierefreiheitsfehler um bis zu 64 % reduziert wurde.

Von Erkenntnissen zu Lösungen: UX-Ansätze für barrierefreies Design

Die Identifikation ist nur der erste Schritt. Entscheidend ist, was UX-Designer daraus machen. Erfolgreich sind jene Ansätze, die Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken – das sogenannte Inclusive Design oder „Shift Left Accessibility“.

Einige bewährte UX-Prinzipien für barrierefreies Design sind:

  • Konsistente Navigationsstruktur: Menschen mit Sehbehinderung oder kognitiven Einschränkungen profitieren von klarer, vorhersehbarer Navigation auf allen Seiten.
  • Flexible Interaktionsmöglichkeiten: Per Tastatur, Sprache oder Screenreader bedienbare Interfaces erhöhen die Zugänglichkeit für diverse Nutzergruppen.
  • Feedback statt Frustration: Sofortige Rückmeldungen – etwa beim fehlerhaften Ausfüllen von Formularen – helfen NutzerInnen, auch mit Einschränkungen, effizient zu interagieren.

Ein praktisches Beispiel ist das Redesign der Behördenplattform gov.uk: Durch iterative UX-Tests mit Senioren, blinden Personen und Menschen mit Lernbeeinträchtigungen wurde eine einfache, strukturierte Informationsarchitektur entwickelt, die inzwischen international als Best Practice gilt.

Wie Nutzerfeedback die UX substanziell verbessert

Feedback von Menschen mit Behinderungen ist mehr als Lob oder Kritik – es ist ein Werkzeug zur Verbesserung. Viele Unternehmen nutzen mittlerweile regelmäßig Remote-Usability-Tests mit barrierefreiheitsfokussierten Panels – etwa über Plattformen wie AccessWorks oder Fable. Dieses Feedback wird direkt ins Stakeholder-Management und in die agile Entwicklung rückgekoppelt.

Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Deutsche Bahn: Beim Relaunch der App „DB Navigator“ 2024 wurde erstmals ein Testpanel von blinden und sehbehinderten NutzerInnen eingebunden. Das Ergebnis: Verbesserte VoiceOver-Funktion, optimierte Fokussteuerung und Kontextfeedback – und ein um fast 18 % gestiegenes Nutzerzufriedenheits-Rating bei dieser Zielgruppe laut interner Evaluation.

Drei praxisnahe Tipps für UX-Designer

  • Barrierefreiheit in jede User Journey einbauen: Analysieren Sie an jeder Interaktion, welche Hürden für welche Nutzergruppe bestehen könnten.
  • Screenreader & Co. als Design-Tools nutzen: Prüfen Sie frühzeitig Ihre Prototypen auf Bedienbarkeit durch assistive Technologien.
  • Als Team gemeinsam lernen: Schulungen zu WCAG, Inclusive Design und praktischer UX-Auditierung schaffen ein gemeinsames Verständnis im Produktteam.

Fazit: UX ist der Schlüssel zur inklusiven digitalen Zukunft

Barrierefreiheit beginnt nicht im Code – sie beginnt im Verständnis für Nutzerbedürfnisse. UX-Designer spielen eine tragende Rolle, wenn sie Menschen mit Einschränkungen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Effektive Nutzerforschung, kluge Methodenwahl und kontinuierliches Feedback sichern nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, sondern ermöglichen umfassend gute Nutzererlebnisse.

Digitale Inklusion ist keine Nische – sie ist das Fundament einer fairen, technologiebasierten Gesellschaft. UX hat die Macht, Verbindendes zu gestalten. Teilen Sie Ihre Erfahrungen, Projekte oder Herausforderungen zur barrierefreien UX mit unserer Community – gemeinsam machen wir das Web für alle zugänglicher.

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