Künstliche Intelligenz

Quantencomputer und KI: Eine Bedrohung für die Cybersicherheit?

Ein heller, warm beleuchteter Arbeitsplatz mit einem konzentrierten IT-Experten vor mehreren Bildschirmen, auf denen dezent Code und abstrakte Datenströme erkennbar sind, umgeben von moderner Technik und Pflanzen, die eine harmonische Verbindung von Hightech und menschlicher Präsenz vermitteln.

Mit der rasanten Entwicklung von Quantencomputing und Künstlicher Intelligenz rücken tiefgreifende Veränderungen in der Cybersicherheitslandschaft näher. Was sich liest wie Science-Fiction, könnte in wenigen Jahren Realität sein: Der Bruch heutiger Verschlüsselung durch Quantenalgorithmen. Ist unsere digitale Infrastruktur darauf vorbereitet?

Der Aufstieg der Quantencomputer: Fundamentale Bedrohung für klassische Kryptografie?

Quantencomputer versprechen enorme Rechenleistung durch die Nutzung von Qubits statt klassischen Bits. Im Gegensatz zu traditionellen Computern, die Informationen als 1 oder 0 speichern, können Qubits aufgrund von Superposition und Verschränkung mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. Insbesondere bei Problemen wie der Primfaktorzerlegung oder der diskreten Logarithmusfunktion eröffnet das völlig neue Angriffsvektoren auf kryptographische Systeme.

Die weit verbreiteten Verschlüsselungsverfahren RSA, DSA und ECC basieren alle auf der Schwierigkeit mathematischer Probleme, die für klassische Computer kaum lösbar sind. Quantencomputer könnten diese jedoch mithilfe des Shor-Algorithmus in polynomialer Zeit knacken – ein Szenario, das Sicherheitsforscher schon seit den 1990er-Jahren beschäftigt, mittlerweile aber zunehmend konkreter wird.

Laut einem 2022 veröffentlichten Bericht des National Institute of Standards and Technology (NIST) arbeiten weltweit mehr als 20 Forschungsteams aktiv daran, praxistaugliche Quantenrechner zu entwickeln. Zugleich prognostiziert ein Report von Gartner (2024), dass bis 2030 mindestens 20 % aller Unternehmen kritische Daten absichern müssen, die gegen Quantenangriffe geschützt sind.

Post-Quanten-Kryptografie: Auf der Suche nach quantensicheren Alternativen

Die Bedrohung durch Quantencomputer hat bereits vielfältige Gegenmaßnahmen auf den Plan gerufen. Zentral ist die sogenannte Post-Quanten-Kryptografie (PQC), bei der auf Algorithmen gesetzt wird, die selbst für Quantenrechner nur schwer angreifbar sind. Im Juli 2022 veröffentlichte das NIST eine Shortlist von vier bevorzugten PQC-Algorithmen: CRYSTALS-Kyber für die Schlüsselvereinbarung sowie CRYSTALS-Dilithium, FALCON und SPHINCS+ für digitale Signaturen.

Diese Algorithmen basieren auf Problemen aus der Gittertheorie, Hash-basierten Verfahren oder Code-basierten Techniken, die dem Shor-Algorithmus trotzen sollen. Der Übergang zu quantensicheren Standards ist jedoch komplex und erfordert tiefgreifende Änderungen in vielen Protokollen, Hardwaredesigns und Softwarearchitekturen.

Ein zusätzliches Risiko stellt der sogenannte „Harvest Now, Decrypt Later“-Ansatz dar. Dabei greifen Angreifer heute bereits verschlüsselte Kommunikation ab, um sie zukünftig mit Quantencomputern zu entschlüsseln. Besonders betroffen sind dabei vertrauliche Daten mit langfristigem Schutzbedarf, wie medizinische Unterlagen, Staatsgeheimnisse oder geistiges Eigentum.

Künstliche Intelligenz als Wächter oder Risiko?

Während Quantencomputer potenziell katastrophale Schwachstellen in klassischen Verschlüsselungssystemen offenlegen, bietet künstliche Intelligenz gleichzeitig neue Verteidigungsmöglichkeiten. Mithilfe maschinellen Lernens können Anomalien im Netzwerkverkehr schneller erkannt, Zero-Day-Exploits antizipiert und adaptive Sicherheitsinfrastrukturen entwickelt werden, die sich kontinuierlich an neue Bedrohungen anpassen.

Bereits heute setzen Unternehmen wie IBM, Palo Alto Networks oder Darktrace auf KI-gestützte Sicherheitssysteme. Laut einem IDC-Bericht von 2023 nutzen inzwischen 42 % aller Unternehmen weltweit AI-basierte Sicherheitstechnologien, um potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu erkennen – Tendenz steigend.

Auf der Kehrseite könnten jedoch auch Cyberangreifer KI nutzen, um Schwachstellen automatisiert auszuspähen, Phishing-Kampagnen natürlicher wirken zu lassen oder Deepfake-basierte Angriffe durchzuführen. In Verbindung mit Quantencomputern potenziert dies die Bedrohungslage deutlich und unterstreicht die Notwendigkeit ganzheitlicher Sicherheitsstrategien.

Besonders gefährlich ist die Kombination aus „offensivem Quantencomputing“ – etwa zur Schlüsselbrechung – mit KI-basierten Tools zur Angriffsautomatisierung. Hier entsteht eine neue Eskalationsstufe der Cyberbedrohung, welche klassische Schutzmechanismen schnell überfordern könnte.

Was Unternehmen jetzt tun müssen: Handlungsempfehlungen für die Post-Quanten-Ära

Da der flächendeckende Durchbruch von Quantencomputern zwar noch Jahre entfernt sein mag, der Übergangsprozess jedoch hohe Vorlaufzeiten benötigt, sollten Organisationen jetzt mit der Vorbereitung beginnen. Folgende Maßnahmen empfehlen Sicherheitsexperten:

  • Asset-Analyse durchführen: Unternehmen sollten identifizieren, welche Systeme und Daten langfristig verschlüsselt bleiben müssen – z. B. personenbezogene oder regulatorisch sensible Informationen.
  • Crypto-Agilität einführen: IT-Systeme sollten so gestaltet werden, dass die verwendeten Verschlüsselungsalgorithmen einfach ausgetauscht werden können.
  • Hybride Krypto-Verfahren testen: In ersten Ansätzen lassen sich klassische und quantensichere Algorithmen kombinieren, um einen Übergangspfad zu schaffen, ohne sofort vollständig auf PQC umzusteigen.

Zusätzlich empfehlen Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer AISEC eine enge Kooperation mit internationalen Normungsbehörden wie dem NIST, um frühzeitig mit kompatiblen Standards planen zu können. Ein aktives Monitoring von Forschung und Standardisierung hilft Unternehmen zudem, frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen.

Branchenbeispiele und aktuelle Entwicklungen

Die jüngsten Entwicklungen zeigen: Der Wettlauf um quantensichere Sicherheit ist in vollem Gange. Im April 2024 kündigte Google an, seinen Messaging-Dienst durch den quantensicheren Algorithmus Kyber zu erweitern. Auch Cloud-Anbieter wie Amazon Web Services und IBM Cloud testen bereits PQC-Lösungen unter realen Bedingungen.

Zudem investiert die EU-Kommission mit dem Programm „Digital Europe“ über 250 Millionen Euro in Forschungsprojekte zu quantensicherer Kommunikation. In Deutschland leitet das BSI die „Initiative PQC-Readiness“, die Unternehmen gezielt bei der Umstellung auf neue Algorithmen unterstützt.

Ein weiteres Beispiel: Die Deutsche Telekom hat 2023 ein Pilotprojekt zur Quantenkommunikation mit Quanten-Backbones auf Glasfaserbasis gestartet. Erste Ergebnisse zeigen: Stark verschlüsselte Verbindungen mit „Quantum Key Distribution“ lassen sich prinzipiell im Backbone realisieren – allerdings sind Infrastrukturkosten und Latenz noch erhebliche Herausforderungen.

Fazit: Zwischen Bedrohung und Chance – der Weg in eine neue Sicherheitsära

Quantencomputer und KI markieren den Beginn einer neuen Ära in der Cybersicherheit – mit disruptivem Potenzial, aber auch enormen Chancen. Während klassische Verschlüsselung unter Druck gerät, bietet die Post-Quanten-Kryptografie eine realistische Perspektive für robusten Datenschutz jenseits der Quantenbedrohung. Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, die Reaktionsfähigkeit auf Sicherheitsvorfälle signifikant zu erhöhen – vorausgesetzt, wir setzen sie verantwortungsvoll und vorausschauend ein.

Die Tech-Community steht am Scheideweg: Nur durch internationale Kooperationen, technische Agilität und strategisches Vorausdenken lässt sich verhindern, dass die Werkzeuge der Zukunft zu den Gefahren von morgen werden. Diskutieren Sie mit uns: Wie bereiten Sie sich heute auf die Post-Quanten-Ära vor?

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