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Unterwasser-Rechenzentren: Revolutionieren sie die nachhaltige IT-Infrastruktur?

Strahlend beleuchtetes, modernes Unterwasser-Rechenzentrum in kristallklarem blauen Meer mit sanft schimmernden Offshore-Windturbinen im Hintergrund, das durch warme Sonnenstrahlen und realistische Details eine zukunftsweisende, nachhaltige IT-Innovation in harmonischer Verbindung von Technik und Natur ausstrahlt.

Rechenzentren sind die stillen Rückgrate unserer digitalen Welt – und zugleich erhebliche Energieverbraucher. Doch ein innovatives chinesisches Projekt verspricht eine klimafreundlichere Zukunft: Unterwasser-Rechenzentren, die mit Offshore-Windkraft betrieben werden, sollen Effizienz mit ökologischer Verantwortung vereinen. Wird dieses Konzept die nachhaltige Infrastruktur der IT-Branche revolutionieren?

Ein Pilotprojekt macht Wellen: Unterwasser-Rechenzentren vor Chinas Küste

Im April 2024 machte ein ehrgeiziges Infrastrukturprojekt in der südchinesischen Provinz Hainan weltweit Schlagzeilen: Das Unternehmen Highlander (Shenzhen HiCloud) installierte das erste kommerzielle Unterwasser-Rechenzentrum (UDC), das vollständig mit Offshore-Windkraft gespeist wird. Auf einer Fläche von 68.000 Quadratmetern sollen in drei Phasen insgesamt 100 modulare Rechenzentrums-Einheiten in rund 35 Metern Tiefe errichtet werden. Diese sollen gemeinsam rund 1,5 Millionen Server beherbergen und jährlich etwa 130 Millionen Kilowattstunden Strom einsparen verglichen mit konventionellen Rechenzentren.

Die Kühlung der Anlagen erfolgt dabei passiv durch das umgebende Meerwasser. Ein signifikanter Vorteil: nach Angaben von Highlander sinken die Betriebskosten so um rund 50 Prozent. Die erwartete Lebensdauer eines Moduls beträgt bis zu 25 Jahre – regelmäßige Wartung wird über autonom gesteuerte ROVs (Remote Operated Vehicles) möglich gemacht. Noch spannender: Die gesamte Stromversorgung erfolgt über eine integrierte Offshore-Windanlage mit einer Leistung von 250 MW.

Technische Herausforderungen unter Wasser

Ein Rechenzentrum unter der Wasseroberfläche zu betreiben, ist keine bloße Frage der Wasserdichtigkeit. Zahlreiche technische Herausforderungen begleiten solche Projekte:

  • Druck- und Korrosionsbeständigkeit: Gehäusematerialien müssen extremen Druckverhältnissen und Salzwassereinflüssen standhalten. Innovative Epoxidverkleidungen und Titanverbindungen kommen hier zum Einsatz.
  • Systemüberwachung und Wartung: Sensorik und autonome Steuerungssysteme müssen Störungen oder Lecks sofort erkennen – und ROVs müssen in der Lage sein, Reparaturen durchzuführen, ohne die Infrastruktur vollständig zu bergen.
  • Netzanbindung und Latenz: Eine zuverlässige Glasfaser-Anbindung zum Festland ist unerlässlich. Hierzu wurden im Hainan-Projekt eigens Unterseekabel mit redundanten Pfaden verlegt.

Der Aufwand ist enorm, doch die Gewinnung aus passiver Kühlung und grüner Energie sorgt für eine effektive Payback-Zeit von geschätzten sechs Jahren.

Nachhaltigkeitsfaktor: Wie umweltfreundlich ist das Konzept?

Laut dem Forschungsinstitut Uptime Institute zufolge verursacht die globale Rechenzentrumsbranche rund zwei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen – etwa so viel wie die Luftfahrt. Der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit liegt in der Energieversorgung und Kühlung.

Unterwasserrechenzentren wie in Hainan könnten dieses Paradigma verschieben. Durch die Nutzung natürlicher Kühlung und erneuerbarer Offshore-Energie lassen sich laut Projektstudie jährlich bis zu 40.000 Tonnen CO₂ einsparen – gegenüber herkömmlichen, luftgekühlten Rechenzentren.

Eine Untersuchung der International Energy Agency (IEA) aus 2023 zeigte, dass allein die Kühlung für durchschnittlich 40–50 Prozent des Stromverbrauchs in Rechenzentren verantwortlich ist (IEA, „Data Centres and Data Transmission Networks“, 2023). Diesen Verbrauch durch Meerwasserkühlung fast vollständig zu eliminieren, bietet ein enormes Potenzial.

Andere Projekte weltweit: Microsofts Project Natick und weitere Pilotversuche

Die Idee ist nicht ganz neu: Microsoft demonstrierte bereits 2018 mit seinem Project Natick vor den schottischen Orkney-Inseln die Machbarkeit eines Unterwasser-Rechenzentrums. Die abgeschlossene Phase 2 zeigte positive Ergebnisse: Das 864-Server-Modul lief über zwei Jahre fehlerfrei – mit einer Ausfallrate, die nur ein Achtel jener herkömmlicher Rechenzentren betrug.

Weitere Initiativen stammen von Subsea Cloud (USA) und Nautilus Data Technologies, die an schwimmenden oder halbuntergetauchten Lösungen arbeiten. Diese Projekte fokussieren überwiegend auf Hyperscaler-Nutzer an Küstenregionen mit hoher Netzlast.

Was China nun besonders macht, ist die industrielle Skalierung – gepaart mit vollständig regenerativer Energieversorgung.

Chinas strategische Ambitionen

China verfolgt mit dem Hainan-Projekt auch politische Ziele: Der staatlich formulierte Fünfjahresplan sieht massive Investitionen in grüne Infrastruktur vor, auch zur Erreichung des erklärten CO₂-Neutralitätsziels bis 2060. Unterwasserrechenzentren sollen dabei helfen, die energiehungrigen Cloud- und KI-Dienste effizienter zu betreiben.

Ein Rechenzentrum, das on-demand skalierbar, energetisch autark und kühlungsoptimiert im Ozean betrieben werden kann, könnte somit ein Baustein des „Green Compute Belt“ werden – ein geplanter Cluster ökologischer IT- und Dateninfrastruktur entlang der chinesischen Küste.

Auch wirtschaftlich verspricht sich Peking Vorteile gegenüber westlichen Tech-Giganten, etwa durch massiven Export entsprechender Technologien in den globalen Süden.

Praktische Empfehlungen: Was IT-Entscheider heute schon beachten sollten

  • Beobachten Sie Pilot- und Großprojekte wie das Hainan-UDC regelmäßig, um konkrete Business Cases zu analysieren.
  • Erwägen Sie in Ihrer langfristigen Infrastrukturplanung hybride Modelle mit Offshore-Kapazitäten oder schwimmenden Datencentern.
  • Setzen Sie sich intensiv mit Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen und Data Sovereignty bei Offshore-Lösungen auseinander.

Ausblick: Untersee statt Cloud?

Obwohl sich Unterwasser-Rechenzentren noch in der Pilot- und Frühskalierung befinden, ist ihr Potenzial unübersehbar: Höhere Energieeffizienz, drastisch reduzierter CO₂-Footprint und modulare Skalierbarkeit machen sie zu einem Next-Gen-Ansatz für die globale Rechenzentrumsarchitektur.

Doch auch Herausforderungen bleiben: Wartungsaufwand, regulatorische Unsicherheiten und fehlende Standards müssen adressiert werden. Ebenso fehlt es bisher an internationalem Konsens zur Umweltauswirkungen auf lokale Ökosysteme, etwa durch Lärm oder Wärmeeintrag.

Ein aktueller Data Center Market Report von ResearchAndMarkets (2024) prognostiziert unterdessen, dass der Markt für Offshore-Rechenzentren bis 2030 auf über 9 Milliarden USD anwachsen könnte. Treiber sind dabei steigender Bedarf nach KI-Rechenleistung und nachhaltigem Hosting.

Fazit: Ein Schritt in Richtung grüne Digitalzukunft?

Unterwasser-Rechenzentren sind kein utopisches Zukunftskonzept mehr, sondern ein ernstzunehmender Teil der globalen Nachhaltigkeitsstrategie in der IT. Das ambitionierte chinesische Projekt zeigt: Eine klimafreundliche und effiziente Datenverarbeitung ist technologisch realisierbar – und bald auch wirtschaftlich attraktiv.

Die Diskussion steht jedoch erst am Anfang. Diskutieren Sie mit: Welche Chancen und Risiken sehen Sie für die Zukunft unterseeischer Rechenzentren? Teilen Sie Ihre Meinung und Erfahrungen mit unserer Community!

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