Mit der fortschreitenden Digitalisierung steigt auch die Zahl der Rechenzentren – doch ihre Umweltbilanz steht zunehmend in der Kritik. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Die Bevölkerung beginnt, die ökologischen Kosten klarer wahrzunehmen. Wo liegt das Problem – und wie lässt sich nachhaltige IT-Infrastruktur gestalten?
Digitale Infrastruktur wächst – mit ihrem ökologischen Fußabdruck
Cloud-Dienste, Streaming-Plattformen, KI-Modelle und IoT – all das benötigt gewaltige Rechenleistung. Entsprechend expandieren weltweit die Rechenzentren. Deutschland zählt laut Bitkom mittlerweile über 3.000 solcher Anlagen und ist europäischer Spitzenreiter in Bezug auf Hosting-Kapazitäten. Doch mit wachsender Kapazität wachsen auch die Umweltfolgen. Sowohl der Energieverbrauch als auch der Bedarf an Kühlwasser steigen seit Jahren signifikant an.
Eine repräsentative Umfrage von Golem.de zeigt, dass die öffentliche Akzeptanz für neue Rechenzentren deutlich abnimmt. Befragt wurden im Frühjahr 2025 über 1.500 Menschen in Deutschland. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) äußerten sich kritisch gegenüber neuen Rechenzentren in ihrer Nähe – vor allem wegen Umweltbedenken. Besonders häufig wurden der hohe Energieverbrauch (74 Prozent) und der Wasserbedarf zur Kühlung (61 Prozent) kritisiert.
Energiehunger auf Rekordniveau
Der Energieverbrauch von Rechenzentren war schon 2020 ein Problem und ist bis heute kontinuierlich gewachsen. Laut der International Energy Agency (IEA) verbrauchten Rechenzentren 2022 weltweit rund 240–340 TWh Strom – das entspricht etwa 1 bis 1,3 Prozent des globalen Elektrizitätsbedarfs. In Deutschland lag der Energieverbrauch laut Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2023 bei ca. 16,6 TWh – mit einem erwarteten Anstieg auf über 26 TWh bis 2030, sollten Effizienzmaßnahmen ausbleiben.
Der Boom rund um Künstliche Intelligenz und Cloud-basierte Dienste wirkt wie ein Brandbeschleuniger. KI-Modelle wie GPT-4 und deren Inferenzprozesse führen zu einer exponentiellen Nachfrage nach GPU-Servern. So schätzt ein Bericht des Borderstep-Instituts, dass allein KI-Anwendungen in deutschen Rechenzentren bis 2030 für bis zu 30 Prozent des Stromverbrauchs von Rechenzentren verantwortlich sein könnten.
Wasserverbrauch: Das unsichtbare Problem
Was viele nicht wissen: Zur Kühlung von Servern werden millionenfach Liter Wasser benötigt. In heißen Sommern greifen viele Rechenzentren daher auf direkte Verdunstungskühlung zurück, was den Wasserverbrauch drastisch erhöht. In Frankfurt am Main, einem der wichtigsten Rechenzentrumsstandorte Europas, benötigen die Anlagen laut einer Analyse von Germanwatch rund 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr – so viel wie etwa 30.000 Haushalte verbrauchen.
Immer mehr Kommunen beginnen deshalb, Wasser- und Kühlmanagement als zentrales Genehmigungskriterium für neue Rechenzentren heranzuziehen. So kündigte Berlin im Jahr 2025 an, neue Rechenzentrumsprojekte nur noch dann zu genehmigen, wenn eine vollständige Kreislaufkühlung mit minimalem Trinkwassereinsatz nachgewiesen wird.
Green IT als Weg aus der Krise
Die Kritik aus der Bevölkerung ist laut – aber sie kommt nicht überraschend. Denn gerade in Zeiten wachsender Klimaresilienz-Erwartungen und knapper Ressourcen rückt die Verantwortung der digitalen Infrastruktur stärker in den Fokus. Die Forderung nach „Green IT“ ist dabei zentral: Laut dem Golem-Report erwarten 72 Prozent der Befragten von Unternehmen einen klaren Nachhaltigkeitsnachweis beim Betrieb von Rechenzentren.
Doch wie können Rechenzentren tatsächlich nachhaltiger gestaltet werden? Es gibt konkrete Ansätze:
- Abwärmenutzung: Viele Rechenzentren setzen bereits auf Konzepte zur Wärmeauskopplung. In Hamburg liefern zwei große Anlagen Wärme an örtliche Wohnquartiere – ein Konzept mit großem Potenzial.
- Künstliche Intelligenz zur Lastoptimierung: Durch den Einsatz von KI können IT-Workloads effizienter verteilt, Peak-Zeiten prognostiziert und Energieflüsse besser gesteuert werden.
- Strom aus PPA-Verträgen: Immer mehr Betreiber schließen langfristige Power Purchase Agreements mit Wind- oder Solarparks, um ihre Server mit regenerativer Energie zu versorgen.
Der politische und wirtschaftliche Rahmenzug
Auch die Politik beginnt zu reagieren. Der IT-Branchenverband Bitkom forderte im Frühjahr 2025 von der Bundesregierung klare Rahmenbedingungen für nachhaltige digitale Infrastrukturen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) arbeitet derzeit an einem Förderprogramm mit bis zu 500 Millionen Euro für energieeffiziente Rechenzentren. Ziel: Klimaneutralität bis 2035 und ein verpflichtendes Nachhaltigkeitsaudit für Neubauten ab 2027.
Darüber hinaus plant die EU-Kommission im Rahmen des „Green Deal“ eine EU-weite Rechenzentrumsstrategie, die unter anderem verbindliche Ökodesign-Kriterien und Effizienz-Mindeststandards vorsieht. Erste Pilotzonen werden in Amsterdam, Mailand und Frankfurt eingerichtet.
Praktische Empfehlungen für Betreiber, Kommunen und Verbraucher:
- Betreiber sollten eine energie- und wassereffiziente Architektur mit modularer Bauweise und optimierter Kühlung implementieren.
- Kommunen können Nachhaltigkeitsauflagen und Abwärmenutzung zur Genehmigungsvoraussetzung machen.
- Verbraucher sollten beim Cloud-Anbieter auf Zertifizierungen wie „Blauer Engel für Rechenzentren“ oder „European Code of Conduct for Data Centres“ achten.
Akzeptanz braucht Transparenz
Ein zentrales Ergebnis der Golem-Umfrage ist die Forderung nach mehr Transparenz. 83 Prozent der Befragten wünschten sich öffentlich zugängliche Umweltdaten von Rechenzentren – etwa zu deren Stromquellen, CO₂-Bilanzen und Wasserverbrauch. Nur so könne die Bevölkerung Vertrauen aufbauen und sich mit dem Ausbau digitaler Infrastruktur versöhnen.
Einige Vorreiter agieren bereits proaktiv: Der Hyperscaler Google veröffentlicht seit 2022 standortbezogene Nachhaltigkeitskennzahlen zu jedem seiner globalen Datenzentren. Auch deutsche Anbieter wie Ionos oder Hetzner gehen erste Schritte in Richtung Offenlegung.
Die Zukunft der Digitalisierung ist grün – oder gar nicht
Der Bedarf an Rechenleistung wird in den kommenden Jahren nicht sinken – im Gegenteil. Doch der Ausbau muss mit Rücksicht auf Umweltressourcen, kommunale Interessen und gesellschaftliches Vertrauen erfolgen. Die Bevölkerung ist sensibel geworden, wie die Golem-Umfrage deutlich zeigt. Es liegt nun an Branche, Politik und Anwender:innen, gemeinsam eine nachhaltige digitale Zukunft zu gestalten.
Ihre Meinung ist gefragt: Was denken Sie über neue Rechenzentren in Ihrer Region? Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit im digitalen Alltag? Diskutieren Sie mit uns auf unseren Social-Media-Kanälen oder schreiben Sie an die Redaktion!




