Rechenzentren sind das Rückgrat der digitalen Gesellschaft – jedoch mit enormem Ressourcenverbrauch. Besonders der Wasserverbrauch rückt zunehmend in den Fokus der Kritik. Betreiber reagieren mit innovativen Technologien und neuen Strategien. Wie effektiv sind diese Ansätze?
Wasserverbrauch als unterschätzter Umweltfaktor
Während CO₂-Emissionen in der Diskussion um den ökologischen Fußabdruck von Rechenzentren lange dominierten, rückt in jüngster Zeit der Wasserverbrauch verstärkt in den Fokus. Laut einer Studie der U.S. National Renewable Energy Laboratory (NREL) aus dem Jahr 2023 verbrauchte ein durchschnittliches Rechenzentrum in den USA pro Megawattstunden Leistung rund 5,1 Kubikmeter Wasser – vor allem für Kühlzwecke. Bei hyperskaligen Anlagen können sich diese Werte auf Millionen Liter summieren.
Die zunehmende Dürregefahr in Regionen wie dem Westen der USA oder Südeuropa macht die Problematik augenscheinlich. Öffentliche Kritik, etwa an Google und Meta, hat in den vergangenen Jahren zugenommen – insbesondere, wenn Rechenzentren in wasserarmen Regionen gebaut werden.
Herkömmliche Kühlung – wasserintensiv und nicht mehr zukunftsfähig
Bisher dominieren zwei Kühltechnologien: Verdunstungskühlung und wasserbasierte Rückkühlwerke. Erstere nutzt Wasser, um die warme Luft durch Verdunstung zu kühlen – ein thermodynamisch effizienter, aber stark wasserverbrauchender Prozess. Zwar sind Rückkühlwerke robuster und skalierbar, sie erfordern jedoch eine kontinuierliche Frischwasserversorgung sowie chemische Wasserbehandlung, um Korrosion und Biofilm zu verhindern.
Zudem steht nicht nur der direkte Wasserverbrauch zur Debatte. Die sogenannte „Water Usage Effectiveness“ (WUE) – also der Anteil an Wasser bezogen auf den IT-Strombedarf – ist heute ein Schlüsselindikator für nachhaltige Rechenzentrumsplanung. Laut dem Uptime Institute lag der durchschnittliche WUE-Wert 2023 weltweit bei rund 1,8 Liter/kWh IT-Last. Besonders in trockenen Klimaregionen ergibt sich daraus eine drastische Umweltbilanz.
Innovative Alternativen: Luftkühlung, Kreisläufe und KI-optimierte Systeme
Vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen und wachsender gesellschaftlicher Verantwortung setzen Betreiber und Planer auf neue Strategien:
1. Luftgekühlte Systeme und Free Cooling
Eine der angesagtesten Technologien ist das sogenannte „Free Cooling“, bei dem kalte Außenluft direkt zur Kühlung des IT-Equipments genutzt wird. Diese Methode benötigt praktisch kein Wasser und kann – bei geeigneter Klimazone – bis zu 80 % der jährlichen Kühlleistung stellen.
Microsoft testet beispielsweise seit 2022 in Irland und Schweden Rechenzentren, die bis zu 11 Monate im Jahr vollkommen luftbasiert gekühlt werden. In Skandinavien kommen dabei teils sogar natürliche Quellluft und Erdwärmetauscher zum Einsatz, um zusätzliche Energie zu sparen.
2. Geschlossene Wasserkreisläufe
Eine fortschrittlichere Lösung ist der Einsatz geschlossener Kühlwasserkreisläufe, die mit minimalem Wasserverlust funktionieren. Dafür kommen z.B. Trockenkühler mit adiabatischer Unterstützung zum Einsatz – sie kombinieren Luftkühlung mit temporärem Wassernebel, um bei Spitzenlast zusätzliche Leistung bereitzustellen.
Google nutzt beispielsweise in seinem Rechenzentrum in Douglas County, Georgia, ein geschlossenes Kreislaufsystem mit wiederaufbereitetem Abwasser aus der kommunalen Kläranlage. Dadurch konnte der Wasserverbrauch pro MWh um rund 35 % reduziert werden (Quelle: Google Environmental Report 2023).
3. Künstliche Intelligenz zur Optimierung des Kühlbedarfs
Ein weiterer innovativer Ansatz liegt in der präzisen Steuerung der Klimatechnik durch KI. Systeme wie DeepMind – ursprünglich für Schach und Go entwickelt – optimieren heute autonome Kühlprozesse bei Google und ermöglichen bis zu 30 % Energieersparnis für die Klimatisierung. Auch der Wasserverbrauch wird dabei intelligent reduziert, indem Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und Workload in Echtzeit analysiert werden.
Meta setzt derweil auf ein KI-Framework namens InfraML, das speziell für das Datenökosystem großer Rechenzentren entwickelt wurde. Ziel ist nicht nur der energetische, sondern auch der hydrologische Fußabdruck zu minimieren.
Regenwasser, Abwasser, Kreislaufwirtschaft: Best Practices weltweit
Immer mehr Betreiber verfolgen einen interdisziplinären Ansatz, der klassische Ressourcennutzung mit smarter Rückgewinnung kombiniert. Einige Beispiele:
- Amazon Web Services nutzt in Oregon seit 2023 aufbereitetes Regenwasser für Kühlprozesse – bis zu 600.000 Liter täglich.
- Alibaba Cloud betreibt sein Rechenzentrum in Zhangbei mit Hybrid-Kühltechnik und speist überschüssige Abwärme in das kommunale Nahwärmenetz ein – eine Win-Win-Situation.
- Equinix plant für seine IBX-Anlage in Paris (PA10) die Integration von lokaler Regenwasseraufbereitung mit thermischer Speichertechnologie.
Vorreiterregionen wie die Schweiz, Schweden und Singapur setzen zunehmend auf den „Circular-Data-Center“-Ansatz. Dabei werden Kühlung, Strom und Abfallstoffe gemeinsam gedacht – maximiert wird die Ressourceneffizienz bei minimiertem Fußabdruck.
Regulatorischer Druck und Berichterstattungspflicht
Auch gesetzliche Anforderungen bringen Bewegung ins Thema. In der EU schreibt die Energy Efficiency Directive mittlerweile eine verbindliche Emissions- und Wasserverbrauchsberichterstattung ab 2025 vor. Die deutsche Bundesregierung plant darüber hinaus, den Wasserverbrauch pro IT-Last als KPI in ESG-Ratings zu integrieren.
In den USA forderte 2024 die Environmental Protection Agency (EPA) erstmals auch Industriestandards für Wasserverbrauch aus. Besonders rückt dabei die geografische Kontextualisierung in den Mittelpunkt: Ein Liter in Arizona wiegt schwerer als ein Liter in Norwegen.
Statistischer Kontext: Laut einem Bericht der International Energy Agency (IEA) von 2024 verursachen Rechenzentren weltweit jährlich einen geschätzten Wasserverbrauch von über 660 Milliarden Litern. Davon lassen sich etwa 30 % durch integrierte Rückgewinnungssysteme einsparen – Potenzial, das bislang vielerorts ungenutzt bleibt.
Praktische Empfehlungen für Betreiber
Die folgenden Maßnahmen gelten als praxisnah und wirkungsvoll für die Senkung des Wasserverbrauchs im eigenen Rechenzentrumsbetrieb:
- Kühlsysteme nach Standort klimasensibel entscheiden: Free Cooling ist nur in gemäßigten Klimazonen effizient. Regionale Umweltbedingungen müssen berücksichtigt werden.
- Hybride Kühltechnologien implementieren: Kombination aus Luftkühlung und Wasserkreisläufen mit adiabatischer Unterstützung kann Wasserverbrauch drastisch senken.
- Rückspeisungssysteme für Abwasser etablieren: Die Nutzung kommunalen Grauwassers oder Regenwassers verringert Druck auf Trinkwasserressourcen.
Der Nachhaltigkeitsdruck wird zum Innovationsmotor
Was einst als Randthema galt, ist heute ein zentrales Kriterium der Standort- und Technologiewahl: Wasserverbrauch in Rechenzentren. Die Entwicklung zeigt, dass Umweltbewusstsein und Innovation nicht im Widerspruch stehen müssen – im Gegenteil. Die Kombination aus Technologie, Verantwortung und klarem Reporting wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, um öffentliche Akzeptanz zu sichern und regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Welche Technologien haben Sie in Ihrem Rechenzentrum implementiert? Welche Herausforderungen erleben Sie in Bezug auf den Wasserverbrauch? Teilen Sie Ihre Erfahrungen und diskutieren Sie mit unserer Community im Kommentarbereich!




