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IBM und die Quantenära: Technologische Fortschritte und Herausforderungen

In einem hell erleuchteten, modernen Labor mit natürlichem Tageslicht betrachtet eine vielfältige Gruppe engagierter Wissenschaftler:innen voller Zuversicht und Teamgeist einen komplexen Quantenprozessor, während die warme Atmosphäre Innovation und Fortschritt in der Quantenära lebendig spürbar macht.

Quantencomputer versprechen nichts Geringeres als eine Revolution der Informationsverarbeitung. IBM zählt zu den Vorreitern dieser Technologie – mit ehrgeizigen Roadmaps, technologischen Durchbrüchen und strategischen Partnerschaften. Doch wie nah sind wir tatsächlich an der großflächigen Anwendung? Ein fundierter Überblick.

IBM als Pionier im Quantencomputing

Seit mehr als einem Jahrzehnt investiert IBM systematisch in die Forschung und Entwicklung von Quantencomputern. Unter dem Banner „IBM Quantum“ verfolgt das Unternehmen einen ambitionierten Ansatz, um Quantenrechner nicht nur technisch zu realisieren, sondern in breiter Fachanwendung zugänglich zu machen. Bereits im Jahr 2016 stellte IBM mit dem „IBM Quantum Experience“ die erste öffentlich zugängliche Quantenplattform in der Cloud vor.

Ein zentraler Meilenstein war dabei die Veröffentlichung der IBM Quantum Roadmap, zuletzt aktualisiert im Mai 2024. Gemäß Roadmap will IBM bis 2033 ein skalierbares Quantencomputingsystem mit Millionen von Qubits entwickeln, das fehlerkorrigiert arbeiten kann. Bereits Ende 2023 präsentierte IBM mit dem „Condor“-Quantenprozessor das erste 1121-Qubit-System und unterstrich damit seine Führungsposition im Feld.

IBM verfolgt eine modulare Architektur, bei der mehrere Quantenprozessoren über Quantum Communication Links skalierbar miteinander verbunden werden. So sollen künftig Quantenrechner mit Millionen Qubits als vernetzte Cluster entstehen – ein Konzept, das die Machbarkeit von Quanten-Supercomputern auf industriellem Niveau deutlich erhöht.

Technologische Hürden: Skalierung und Fehlerkorrektur

Trotz rasanter Fortschritte stellt die Skalierung von Quantencomputern eine enorme Herausforderung dar. Quantenbits – oder Qubits – sind extrem störanfällig gegenüber äußeren Einflüssen wie Vibration, elektromagnetische Strahlung oder Temperaturschwankungen. Die mittlere Kohärenzzeit eines Supraleiter-Qubits beträgt derzeit teilweise nur wenige hundert Mikrosekunden.

Die sogenannte „quantum error correction“ (QEC) ist daher ein zentrales Forschungsgebiet. IBM setzt auf „surface code“-Fehlertoleranzansätze, die durch redundante Kodierung viele physikalische Qubits zu einem logischen (fehlerkorrigierten) Qubit vereinen. Ein vollständiges Quantencomputersystem, das gängige Probleme in der Chemie, Materialwissenschaft oder künstlichen Intelligenz adressieren kann, benötigt vermutlich Millionen solcher physikalischen Qubits.

Dabei müssen nicht nur die Hardware, sondern auch Quantenalgorithmen und Softwarelösungen weiterentwickelt werden, um den Übergang von „Noisy Intermediate-Scale Quantum“ (NISQ)-Systemen hin zu „Fault-Tolerant Quantum Computing“ zu schaffen.

Partnerschaften mit Wissenschaft und Wirtschaft

Ein Schlüssel zur Skalierung der Quantenrechner liegt nicht nur in der Physik, sondern auch in starken Partnerschaften mit Industrie, Forschung und Regierungen. IBM verfolgt einen kollaborativen Ansatz und arbeitet im Rahmen des IBM Quantum Network mit über 250 Partnern zusammen – darunter Unternehmen wie Bosch, Samsung, ExxonMobil oder auch Forschungsinstitute wie das Fraunhofer-Institut in Deutschland.

Im Mai 2024 kündigte IBM gemeinsam mit dem US-Energieministerium (DOE) die Gründung des neuen „Quantum Systems Accelerator“ an – ein öffentlich-privates Konsortium zum Aufbau leistungsfähiger Qubitrechenzentren. Auch in Europa stärkt IBM sein Engagement: In Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich entsteht aktuell das erste Quantencomputersystem auf europäischem Boden, das unter vollständiger Kontrolle eines Nicht-US-Partners betrieben wird.

Diese Initiativen zeigen, wie entscheidend offene Ökosysteme und der Know-how-Transfer für den Aufbau einer weltweit verteilten Quanteninfrastruktur sind.

Quantencomputing für die Praxis: Anwendungsfälle auf dem Prüfstand

Derzeitige Quantenrechner sind zwar noch nicht der klassischen Rechenpower überlegen, zeigen aber bereits in bestimmten Nischen Potenzial. IBM arbeitet aktiv an der Entwicklung realitätsnaher Anwendungsfälle, zum Beispiel in der chemischen Simulation. Im Rahmen einer Partnerschaft mit Mercedes-Benz wurde ein Algorithmus zur Modellierung von Lithiumverbindungen für Batteriematerialien optimiert – mit dem Ziel, Entwicklungszyklen von EV-Batterien zu beschleunigen.

Auch in der Finanzindustrie wird das Potenzial getestet: JPMorgan Chase nutzt die IBM Quantum Plattform zur Programmierung von Quantenalgorithmen für Risikoanalysen und Portfoliooptimierungen. Erste Prototypen zeigen Vorteile gegenüber klassischer Monte-Carlo-Simulation in Bezug auf Konvergenzgeschwindigkeit – wenn auch bei geringer Skalierung.

Ein IBM-internes Projekt, „Quantum Safe Crypto“, erprobt zudem quantenresistente Verschlüsselungsverfahren, um der Bedrohung durch zukünftige Quantenangriffe auf aktuelle Public-Key-Infrastrukturen (PKI) vorzubeugen.

Marktreife in Sicht? Stand der Dinge 2025

Aktuelle Marktanalysen zeigen, dass der Quantencomputing-Markt weiterhin stark wächst. Laut einer Studie von McKinsey (2024) könnte der wirtschaftliche Wert von Quantencomputern bis 2035 jährlich bis zu 1,3 Billionen US-Dollar betragen – primär in den Bereichen Pharma, Chemie und Finanz. IBM gilt mit über 450 ausgestellten Quantenpatenten als führender Innovator im Feld.

Zugleich gibt es berechtigte Skepsis gegenüber zu optimistischen Prognosen. So warnt das MIT Technology Review (2024), dass ein fehlerfreier Universalrechner womöglich noch mehr als ein Jahrzehnt entfernt ist. IBM selbst spricht bewusst von der „Quantum Decade“ – einem langsamen, stufenweisen Übergang mit Anwendungen in Hybridmodellen und der Unterstützung klassischer Supercomputer.

Derzeit greift IBM auf das Prinzip „quantum runtime“ zurück – eine neue Softwaremethodik, die klassische und Quantenprozesse eng verzahnt. Diese hybriden Abläufe sollen es Unternehmen ermöglichen, erste quantenbeschleunigte Anwendungen realistisch zu testen, ohne auf vollständig fehlerkorrigierte Hardware warten zu müssen.

Empfehlungen für Unternehmen und Entwickler

Der Einstieg ins Quantenzeitalter erfordert strategisches Denken, gezielte Schulung und kluge Auswahl von Pilotprojekten. IBM stellt mit der Quantum Development Kit (Qiskit) eine Open-Source-Entwicklungsumgebung zur Verfügung, die Programmierungen und Tests von Algorithmen auf echten Quantenprozessoren ermöglicht.

  • Frühzeitig Kompetenzen aufbauen: Unternehmen sollten interne Experten und Entwicklerteams sukzessive mit Quantenmechanik, Qiskit und quantenlogischer Programmierung vertraut machen – etwa über IBMs kostenlose Online-Kurse und Zertifikate.
  • Pilotanwendungsfälle identifizieren: Ideal sind Optimierungs-, Simulations- oder Machine-Learning-Probleme, bei denen klassische Algorithmen Skalierungsgrenzen erreichen.
  • Partnerschaften suchen: Der Zugang zu echten Quantenprozessoren erfordert meist Mitgliedschaften im IBM Quantum Network oder Kooperationen mit Hochschulen und Forschungsinstituten.

Fazit: Vision mit Realitätsbezug

IBMs Weg in die Quantenära kennzeichnet sich durch realistische Etappenziele, offene Partnerschaften und ein ganzheitliches Technologiesystem aus Soft-, Hard- und Middleware. Trotz aller noch bestehenden physikalischen Hürden ist IBM heute besser denn je aufgestellt, die industrielle Nutzung des Quantencomputings voranzutreiben.

2025 markiert eine Übergangsphase – zwischen ambitionierten Roadmaps und zunehmend greifbaren Anwendungen. Damit diese Entwicklung nachhaltig gelingt, ist die Community gefragt: Was sind Ihre größten Use Cases, Sorgen und Ideen fürs Quantencomputing? Diskutieren Sie mit in den Kommentaren.

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