IT-Sicherheit & Datenschutz

Revolution bei WhatsApp: Dritt-Apps, Verschlüsselung und die Risiken

Ein freundliches, lichtdurchflutetes Szenario zeigt eine diverse Gruppe junger Menschen in einem modernen, offenen Büro, die konzentriert an ihren Smartphones und Laptops arbeiten, während durch große Fenster warmes Tageslicht auf helle Holzmöbel und grüne Pflanzen fällt – ein harmonisches Bild digitaler Vernetzung, Offenheit und vertrauensvoller Kommunikation im Zeitalter neuer WhatsApp-Technologien.

Meta öffnet WhatsApp für Drittanbieter-Apps – ein Paradigmenwechsel, der durch die EU-Gesetzgebung forciert wurde. Doch was bedeutet diese neue Interoperabilität für Datenschutz, Sicherheit und das Nutzererlebnis? Und welche Risiken birgt die Öffnung von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation für fremde Systeme?

Hintergrund: Warum WhatsApp Drittanbieter zulassen muss

Die jüngste Entscheidung von WhatsApp, ab März 2024 die Kommunikation mit Dritt-Apps zu ermöglichen, fußt auf einem bahnbrechenden Gesetz der Europäischen Union: dem Digital Markets Act (DMA). Dieses Gesetz verpflichtet sogenannte „Gatekeeper“ wie Meta, ihre Plattformen für externe Anbieter zu öffnen und eine gewisse Interoperabilität zu gewährleisten.

Meta bestätigte gegenüber Medien im Februar 2024, dass WhatsApp-Nutzer bald Nachrichten mit anderen Messaging-Diensten austauschen können – beispielsweise mit Signal, Threema oder Telegram. Diese Öffnung betrifft allerdings ausschließlich Textnachrichten und Bilddateien. Sprach- und Videoanrufe bleiben zunächst außen vor.

Die technische Grundlage hierfür soll eine Art Protokoll-Schnittstelle schaffen, an die sich Dritt-Apps andocken können. Die größte Herausforderung dabei: die Wahrung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung über unterschiedliche Plattformen hinweg.

WhatsApps Lösung: Interoperabilität mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

WhatsApp betont, dass Interoperabilität nicht auf Kosten der Sicherheit gehen dürfe. Daher will das Unternehmen ein standardisiertes Protokoll nutzen, das auf dem Signal-Protokoll basiert – jenem Verschlüsselungsstandard, den WhatsApp seit Jahren für seine Chats verwendet. Externe Anbieter müssen entweder das gleiche Protokoll adaptieren oder ein kompatibles, vergleichbar sicheres System implementieren, das von Meta überprüft wird.

„Wir verpflichten Drittanbieter zur Einhaltung hoher Sicherheitsstandards“, erklärt Dick Brouwer, Engineering Director bei WhatsApp, in einem Interview mit Wired. Damit wolle man sicherstellen, dass auch bei plattformübergreifender Kommunikation keinerlei Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden.

Laut EU-Vorgabe müssen Gatekeeper innerhalb von sechs Monaten nach notifiziertem DMA-Status interoperabel agieren. Bei Meta war dies im September 2023 der Fall – die Frist lief also im März 2024 aus. Seitdem befindet sich WhatsApp in einer neuen Ära, in der Nutzer theoretisch nicht mehr auf einen einzigen Dienst angewiesen sind.

Datenschutzrisiken und Spam: Metas Warnungen

Doch Meta selbst warnt vor potenziellen Begleiterscheinungen dieser Öffnung. In einem öffentlichen Statement nennt das Unternehmen zwei Hauptprobleme: erhöhte Spam-Gefahr und Risiken für die Privatsphäre.

Während WhatsApp bislang eine geschlossene Plattform war, auf der Spam durch KI-Systeme und Verifizierungsprozesse relativ zuverlässig unterbunden werden konnte, entfällt dieser Schutz bei der Kommunikation mit Dritt-Apps. Wenn sich Drittanbieter nicht an vergleichbare Qualitätsstandards halten, könnte dies in einer Flut unerwünschter Nachrichten enden.

Ein noch gravierenderes Risiko sieht Meta im Datenschutz: Wenn Drittanbieter Kommunikationspartner identifizieren oder Metadaten wie IP-Adressen oder Geräteinformationen sammeln, könnte das bestehende Vertrauensverhältnis zu WhatsApp-Nutzern untergraben werden. Die Kontrolle über das Datenschutz-Niveau verlagert sich teilweise auf die Drittanbieter – ein Problem, das selbst mit technischen Prüfungen nur zum Teil aufgefangen werden kann.

Ein Bericht von Proton AG (2024) zeigt, dass 63 % aller Befragten sich „nicht sicher“ fühlen würden, wenn ihre WhatsApp-Kommunikation potenziell über Drittanbieter läuft – selbst bei aktiver Verschlüsselung. Das Vertrauen in das Ökosystem leidet.

Vorteile für Nutzer: Mehr Freiheit, aber auch mehr Verantwortung

Dennoch bringt die Interoperabilität auch Vorteile. Nutzer müssen künftig nicht mehr zwingend dieselbe App verwenden, um mit anderen zu kommunizieren. Vor allem in Kontexten wie beruflicher Kommunikation, internationaler Kundenbetreuung oder barrierefreier Nutzung digitaler Dienste setzt dies neue Maßstäbe.

Vorbild ist hier die E-Mail – ein universell zugängliches Kommunikationsmittel, das nicht an proprietäre Plattformen gebunden ist. Mit der Öffnung des Messaging-Markts jedoch betreten Anbieter wie WhatsApp Neuland. Standards fehlen bislang ebenso wie ein einheitliches Verständnis über Datenhoheit, Sicherheit und Nutzertransparenz.

In diesem Spannungsfeld müssen sich Nutzer an neue Verantwortlichkeiten gewöhnen.

  • Verifizieren Sie, mit wem Sie sprechen: Drittchats könnten von unbekannten Apps stammen. Prüfen Sie die Quelle sorgfältig.
  • Aktivieren Sie Sicherheitshinweise in WhatsApp: Über Einstellungen lassen sich Warnmeldungen bei neuen Drittanbietern aktivieren.
  • Bevorzugen Sie etablierte Apps: Achten Sie bei der Auswahl interoperabler Apps auf transparente Datenschutzrichtlinien und bekannte Marken.

Bei aller technologischer Innovation bleibt die Schutzpflicht gegenüber dem einzelnen Nutzer bestehen – sowohl von Meta als auch von den beteiligten Drittanbietern.

Ein neuer Standard braucht neue Regeln

IT-Sicherheitsforscher warnen bereits jetzt vor verheerenden Szenarien, sollte die Interoperabilität zu schnell oder zu lax umgesetzt werden. „Wir brauchen gemeinsame Testsuiten, Zertifizierungen und eine Art ‚Trust Registry‘ für zugelassene Drittanbieter“, fordert Prof. Dr. Miriam Werkmeister von der Universität Tübingen in einem Beitrag für Heise Security.

Auch die EU-Kommission signalisiert, dass sie mittel- und langfristig eine Normierung der Interoperabilität anstrebt. Denkbar wären spezielle ISO-Standards oder ein Auditierungsprogramm für Messaging-Protokolle. Derzeit setzt die EU allerdings primär auf freiwillige Selbstverpflichtung und den Druck des Marktes.

Wann und wie eine verlässliche Infrastruktur entsteht, bleibt offen. Es ist zu erwarten, dass sich innerhalb der nächsten drei Jahre gewisse Industriestandards herausbilden – vergleichbar mit dem SMTP- oder IMAP-Protokoll im E-Mail-Kontext.

Aktuelle Entwicklung: Erste Drittanbieter und der Wettbewerb

Seit Einführung der Interoperabilitätsfunktion im Frühjahr 2024 haben sich erste Anbieter wie SimpleText (NL) und OpenChat (DE) für die Integration bei WhatsApp beworben. WhatsApp listet auf seiner offiziellen Website regelmäßig aktualisierte Drittanbieter, die derzeit freigeschaltet sind. Bisher sind es (Stand Oktober 2025) sieben Apps, die offizielle Zertifizierung durch Meta erhalten haben.

Eine Studie des unabhängigen Tech-Thinktanks EuroDigitalWatch (2025) zeigt jedoch: Die Interoperabilität hat sich bisher nur begrenzt durchgesetzt. Nur knapp 14 % der befragten Nutzer in Deutschland gaben an, bereits mit Drittanbieter-Apps über WhatsApp kommuniziert zu haben.

Das zeigt: Die technische Möglichkeit allein reicht nicht aus – es braucht Aufklärung, Vertrauen und echte Anwendungsfälle, um neue Nutzungsgewohnheiten zu etablieren.

Fazit: Innovation trifft Verantwortung

Die Öffnung von WhatsApp für Dritt-Apps ist ein weitreichender Schritt, der sowohl regulatorischen Zwängen als auch technologischen Ambitionen folgt. Aus Sicht der Nutzer markiert er eine neue Freiheit – verbunden mit neuen Herausforderungen an Sicherheit, Datenschutz und digitale Souveränität.

Damit diese Revolution gelingt, braucht es ein starkes Zusammenspiel von Gesetzgebern, Entwicklern und Nutzern. Alle Beteiligten sind aufgerufen, bestehende Risiken zu minimieren und gleichzeitig innovative, offene Kommunikationswege zu schaffen.

Wie erleben Sie die neue WhatsApp-Interoperabilität? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen oder diskutieren Sie mit der Community – denn in der Vielfalt liegt die digitale Zukunft.

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