Der Softwaregigant SAP reformiert sein Selbstverständnis – mit offenem Quellcode, kollaborativen Plattformen und einer klaren Positionierung im Bereich Open AI. Was als strategische Neuausrichtung begann, entwickelt sich zum Paradigmenwechsel mit weitreichenden Folgen für Unternehmen, Entwickler und Wettbewerber.
Von proprietär zu offen: SAPs strategische Neuausrichtung
Mit seiner tiefen Verwurzelung in der Unternehmenssoftware galt SAP lange als Paradebeispiel für proprietäre Geschäftsmodelle. Doch spätestens seit den Ankündigungen auf der SAP TechEd 2023 und SAPPHIRE 2024 bricht der Konzern dieses Muster konsequent auf. SAP verfolgt seither eine innovationsgetriebene Open-Source-Strategie, die auf Transparenz, Zusammenarbeit und technologische Interoperabilität abzielt.
Im Zentrum dieser Transformation steht die SAP Business Technology Platform (BTP), die zunehmend auf Open-Source-Komponenten und modulare Architekturen setzt. Dort werden Technologien wie Kubernetes, Kyma, GraphQL und die OpenTelemetry-Schnittstelle nativ unterstützt. Zudem beteiligt sich SAP aktiv an Projekten der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) sowie der OpenJS Foundation – ein klares Signal an die Entwickler-Community.
Open Source als Innovationsmotor für Unternehmen
Open Source ist kein Selbstzweck, sondern ein strategischer Hebel. Laut einer aktuellen Studie von Red Hat aus dem Jahr 2024 sehen 82 % der IT-Führungskräfte Open Source als entscheidend für die digitale Transformation ihrer Organisationen (Quelle: Red Hat, „The State of Enterprise Open Source 2024“). Mit seiner neuen Ausrichtung ermöglicht SAP Kunden schnelleres Prototyping, flexiblere Integrationen und kürzere Time-to-Market-Zyklen.
Beispielsweise implementierte der Logistikkonzern DB Schenker mithilfe von SAPs Kyma-Runtime eine skalierbare API-Gateway-Lösung auf Kubernetes-Basis. Nicht nur konnten Entwicklungszyklen halbiert, sondern auch Lizenzkosten signifikant reduziert werden. Solche Anwendungsfälle demonstrieren das konkrete Potenzial offener Infrastrukturen im Unternehmensumfeld.
Warum SAP jetzt auf Open AI setzt
Parallel zur Open-Source-Offensive positioniert sich SAP zunehmend als Akteur im Open-AI-Kosmos. Bereits im Jahr 2023 kündigte SAP eine strategische Partnerschaft mit Aleph Alpha, Cohere sowie Anthropic an. Ziel war es, generative KI-Fähigkeiten auf der BTP bereitzustellen – jedoch stets mit einem Fokus auf Datenschutz, Compliance und Datensouveränität.
Besonders hervorzuheben ist die Einführung von Joule, einem auf Open AI-Technologie basierenden KI-Assistenten für SAP-Anwendungen. Joule nutzt Large Language Models (LLMs), um Geschäftsprozesse proaktiv zu optimieren – von der Rechnungslegung bis zur Lieferkettenanalyse. Die Besonderheit: Unternehmen behalten dabei stets die Hoheit über ihre Daten, da sämtliche Modelle in isolierten SAP-Instanzen oder privaten Clouds betrieben werden können.
Industrieweite Auswirkungen: Öffnung schafft Differenzierung
SAPs neue Offenheit besitzt das Potenzial, die Wettbewerbslandschaft zu verschieben. Während Anbieter wie Oracle und Microsoft stark auf proprietäre beziehungsweise hybride Modelle setzen, geht SAP einen offenen, kollaborativen Weg. Dadurch entsteht nicht nur ein differenzierendes Merkmal, sondern auch ein Ökosystem, das Partner und Entwickler aktiv einbindet.
Laut GitHub-Daten von 2024 steigerte SAP seine Open-Source-Beiträge um 37 % gegenüber dem Vorjahr – ein deutliches Zeichen für gelebte Kulturveränderung. Gleichzeitig steigen die externen Beiträge in SAP-relevanten Repositories rasant, etwa bei Projekten wie OpenUI5 oder Gardener.
Plattformdenken statt Monolith: SAP lernt von der Cloud-native-Community
Ein zentraler Bestandteil der neuen SAP-Vision ist das Plattformdenken. Ähnlich wie bei OpenAI-Ökosystemen sollen möglichst viele externe Innovationsimpulse aufgegriffen und integriert werden. Dafür öffnet die BTP nicht nur ihre APIs, sondern stellt auch vortrainierte KI-Modelle via SAP AI Core bereit. Diese lassen sich durch Entwicklertrainings und Inferenzdienste flexibel in Geschäftsprozesse einbetten – sei es im Vertrieb, im Einkauf oder im Controlling.
Ein Beispiel: Der SAP-Partner NTT Data nutzt SAP AI Core, um ein Modell zur Prognose von Lieferengpässen zu betreiben. Die Kombination aus Open-Source-Frameworks wie TensorFlow, Open Data Services der EU-Kommission und SAP BTP ermöglicht hier einen hocheffizienten, speziell angepassten KI-Workflow für Industrieunternehmen.
Praktische Empfehlungen für Unternehmen und IT-Leiter
Wer SAP nutzt oder in Erwägung zieht, kann durch die Öffnungsstrategie gezielt profitieren. Folgende Handlungsempfehlungen helfen bei der Orientierung:
- Open-Source-Potenziale evaluieren: Prüfen Sie, welche internen SAP-Prozesse durch offene Lösungen wie Kyma, Gardener oder OpenUI5 effizienter und flexibler gestaltet werden können.
- Open-AI-Strategie definieren: Nutzen Sie Tools wie SAP AI Core oder Joule, um strategische Anwendungsfälle mit Open AI in Ihrem Unternehmenskontext zu identifizieren und zu pilotieren.
- Wissen und Kompetenzen aufbauen: Schulen Sie Ihr IT-Team gezielt in relevanten Open-Source- und Open-AI-Technologien, z. B. durch SAP Learning Hub, CNCF-Zertifizierungen oder KI-Trainingsprogramme.
Transparenz und Vertrauen durch Open Source und Open AI
Ein wesentlicher Vorteil der Öffnung liegt in der Transparenz. Quelloffene Software ermöglicht eine bessere Analyse von Sicherheitsaspekten, ermöglicht schnellere Audits und erhöht die Nachvollziehbarkeit von Automatisierungsprozessen. Gerade im Bereich generativer KI, wo Blackbox-Modelle aus ethischer und regulatorischer Sicht kritisch bewertet werden, liefert SAP mit modularen, erklärbaren KI-Stacks und transparenten Trainingsdaten ein überzeugendes Gegennarrativ.
Besonders im regulierten Umfeld – etwa in der Finanz- oder Gesundheitsbranche – zeigt sich, wie wichtig diese Offenheit ist. Unternehmen können SAP-Lösungen so konfigurieren, dass sämtliche KI-Entscheidungen dokumentiert und rückverfolgbar bleiben („Explainable AI“).
Statistiken belegen Erfolg und Relevanz
Laut IDC-Prognosen von Anfang 2025 werden bis 2027 über 65 % aller SAP-Kunden mindestens ein Open-Source-Komponentenmodul produktiv einsetzen (Quelle: IDC, Market Analysis Perspective: Worldwide Open Source Platforms, Q1 2025). Gleichzeitig berichten 74 % der Unternehmen laut einer Capgemini-Studie von konkreten Effizienzgewinnen durch KI-Anwendungen auf SAP-Basis (Quelle: Capgemini Research Institute, „AI in ERP Report 2024“).
Fazit: Die neue Offenheit als Wachstumsstrategie
SAP beweist, dass Offenheit nicht im Widerspruch zu Kontrolle und Stabilität stehen muss. Vielmehr zeigt sich die Kraft offener Ökosysteme dort, wo Innovation, Kollaboration und Datensicherheit aufeinandertreffen. Open Source und Open AI sind längst keine Nischenkonzepte mehr, sondern zentrale Elemente moderner IT-Strategien – SAP liefert dafür die passende Architektur.
Für CIOs, IT-Leiter und Entwickler ergibt sich daraus eine klare Einladung: Es lohnt sich jetzt mehr denn je, bestehende SAP-Strukturen zu hinterfragen, neue Potenziale zu erschließen und aktiv zur Weiterentwicklung dieses offenen Ökosystems beizutragen.
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