Europa hat einen neuen Meilenstein im Hochleistungsrechnen erreicht: Mit dem JUPITER Booster steht erstmals ein europäischer Supercomputer an der Spitze der Exaflops-Liga. Was diesen technologischen Durchbruch möglich gemacht hat, welche Architektur dahintersteckt und warum das Projekt für Europa strategisch bedeutsam ist – das beleuchten wir in diesem umfassenden Portrait.
Ein europäisches Flaggschiff der Supercomputer-Ära
Am 18. November 2025 wurde die 66. Ausgabe der renommierten TOP500-Liste der leistungsstärksten Supercomputer weltweit veröffentlicht. Mit einem Paukenschlag belegte der JUPITER Booster des Forschungszentrums Jülich einen Platz unter den Top Ten – genauer: Platz drei mit einer Linpack-Leistung von über 1,02 Exaflops. Damit ist JUPITER der erste europäische Supercomputer, der die magische Schwelle von einer Trillion Gleitkommaoperationen pro Sekunde überschreitet.
Das Projekt JUPITER ist Teil der europäischen High Performance Computing-Initiative EuroHPC JU, wird mit starkem Engagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Europäischen Kommission sowie Partnern wie der Forschungszentrums Jülich GmbH und dem französischen IT-Konzern Eviden (Atos Gruppe) getragen. Ziel ist es, Europa technologisch zu emanzipieren und eine unabhängige HPC-Infrastruktur aufzubauen.
Technische Spezifikationen: Die Architektur des JUPITER Boosters
Der JUPITER Booster ist ein sogenannter „Booster-Modul“-Supercomputer. In dieser Architektur sind spezialisierte GPU-Knoten für rechenintensive Aufgaben zuständig, während ein zweites Modul namens „Cluster“ weitere allgemeine Aufgaben übernimmt. Der Booster basiert auf der NVIDIA Grace Hopper Superchip-Architektur, die CPUs und GPUs über ein kohärentes Speicherinterface vereint – eine wichtige Entwicklung für datenintensive KI-Anwendungen und Simulationen.
Hier die wichtigsten technischen Details des Boosters:
- Mehr als 24.000 NVIDIA H100 Tensor Core-GPUs
- NVIDIA Grace Hopper Superchips mit NVLink-C2C-Technologie
- Cray EX-Supercomputer-System von Hewlett Packard Enterprise
- Fördervolumen: über 500 Millionen Euro durch EuroHPC JU und BMBF
- Energieeffizienz: Nutzung warmwassergekühlter Racks zur Reduktion des Energieverbrauchs
In der Green500-Liste, die die energieeffizientesten Supercomputer der Welt bewertet, erreicht der JUPITER Booster Spitzenwerte mit einem Wert von mehr als 62 GFLOPS/Watt – damit liegt er unter den weltweit effizientesten Systemen in seiner Leistungskategorie.
Anwendungsbereiche: Vom Klima bis zur Krebstherapie
Die Einsatzgebiete des JUPITER Boosters sind ebenso vielfältig wie bedeutend. Der Supercomputer soll als Rechenzentrum für komplexe wissenschaftliche Probleme dienen, etwa:
- Wetter- und Klimamodellierung für bessere Vorhersagen bei Extremwetterlagen
- Materialforschung zur Entwicklung neuer Energiespeicher oder Halbleiter
- Medizinische Forschung, z. B. Simulationen zur Entwicklung individueller Krebstherapien
- Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, etwa im Training großer Sprachmodelle von Forschungsinstituten
Neben dem akademischen Einsatz wird JUPITER auch für die Industrie in Europa offenstehen. Unternehmen können über spezielle Zugänge Rechenzeit beantragen, um etwa Digital-Twin-Szenarien oder virtuelle Produktdesigns durchzuführen.
Einordnung im globalen Wettbewerb
Mit dem Sprung in die Exaflops-Klasse betritt Europa ein Feld, das bisher von den USA (Frontier, Oak Ridge National Laboratory, USA) und China dominiert wurde. Der US-Supercomputer Frontier hatte 2022 als weltweit erstes System offiziell die 1-Exaflops-Grenze überschritten. China veröffentlichte bisher keine offiziellen Zahlen, geht aber – laut Experten wie Jack Dongarra – intern längst über diese Metrik hinaus.
Statistik: Laut HPCwire lag die weltweite Top-Leistung im HPC-Bereich 2023 bei rund 1,19 Exaflops (Rmax), wobei 52 % der Top500-Systeme aus Asien stammen, 34 % aus Nordamerika und nur 11 % aus Europa (Quelle: HPCwire, 2023).
Der JUPITER Booster ist somit nicht nur ein technologischer Meilenstein, sondern auch geopolitisch und wirtschaftlich bedeutsam. Europas Fähigkeit, künftig eigenständige KI-Systeme und digitale Infrastrukturen zu betreiben und zu trainieren, hängt direkt mit einer solchen Rechenleistung zusammen.
Nachhaltigkeit und Energieverbrauch: Ein grüner Gigant
Ein besonders gelungenes Merkmal des JUPITER Booster liegt in seinem Energiemanagement. Im Unterschied zu älteren Systemen setzt JUPITER auf innovative Warmwasserkühlung, gekoppelt mit einer Abwärmenutzung für das Jülicher Campusnetz. Der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) liegt laut Betreiberangaben bei unter 1,1 – ein branchenweit herausragender Wert.
Praktische Maßnahmen, um nachhaltige HPC-Infrastrukturen zu unterstützen:
- Planung des Rechenzentrums nach „Green IT“-Kriterien und Nutzung erneuerbarer Energien
- Integration effizienter Kühlsysteme (z. B. Direktwarmwasserkühlung oder freie Kühlung)
- Förderung von Codeeffizienz in Anwendungen, um Rechenaufwand und Energieverbrauch zu senken
Mit über 15 Megawatt elektrischer Anschlussleistung zählt JUPITER zu den energieintensivsten Einrichtungen Europas – aber auch zu den effizientesten.
Strategischer Ausblick: Europas digitales Rückgrat
Mit dem JUPITER Booster verfügt die EU nun erstmals über eine Infrastrukturbasis, die es erlaubt, Exascale-nahe Anwendungen auch unabhängig von Nicht-EU-Technologien zu betreiben – ein Ziel, das im Positionspapier EU Chips Act explizit gesteckt wurde. Auch im Hinblick auf KI-Regulierung, Datensouveränität und digitale Unabhängigkeit ist dieser Fortschritt von enormer Tragweite.
Besonders bemerkenswert ist, dass das System für die kommenden Jahre modifizierbar bleibt – etwa durch Modul-Erweiterungen oder die Einbindung von Quanten-Beschleunigern. JUPITER wird damit zur Grundlage einer langfristig skalierbaren europäischen Exascale-Plattform.
Fazit: Ein Booster für Europas technologische Unabhängigkeit
Der JUPITER Booster markiert einen historischen Moment in der europäischen Supercomputing-Geschichte. Die erfolgreiche Einbindung in internationale Rankings, die technische Exzellenz auf GPU-Ebene sowie der Fokus auf Nachhaltigkeit machen JUPITER zu einem Vorzeigeprojekt. Doch viel wichtiger: Er schafft eine Basis für Forschung, KI und Wissenschaft in Europa, die unabhängig, leistungsfähig und zukunftssicher ist.
Was denken Sie? Welche Anwendungen sollte Europa als Nächstes mit Exascale-Rechenleistung adressieren? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren und teilen Sie Ihre Perspektive zum digitalen Wandel.




