Mit einem Investitionsvolumen von 11 Milliarden Euro baut die Schwarz Gruppe in Lübbenau derzeitig eines der ambitioniertesten und nachhaltigsten Rechenzentrumsprojekte Europas. Das Vorhaben steht exemplarisch für den Wandel in der IT-Infrastruktur: weg von fossilen Energien, hin zu grüner, KI-fähiger Hochleistungstechnologie.
Ein Großprojekt mit Signalwirkung
Im brandenburgischen Lübbenau entsteht auf einer Fläche von rund 130 Hektar ein Rechenzentrums-Campus, der über nationale Grenzen hinaus Beachtung findet. Hinter dem Projekt steht Schwarz Digits, die Digitaleinheit der Schwarz Gruppe (u.a. Lidl, Kaufland), die mit dem Vorhaben nicht nur interne IT-Bedürfnisse decken, sondern auch zum europäischen Digital- und KI-Standort beitragen will.
Die Baukosten werden auf rund 11 Milliarden Euro geschätzt, womit es sich um eines der größten privat finanzierten Infrastrukturprojekte Deutschlands handelt. Ziel ist es, ein hochmodernes Rechenzentrum zu schaffen, das sowohl Hyperscaler-Standards erfüllt als auch Maßstäbe bei Energieeffizienz und Nachhaltigkeit setzt.
Der Baustart erfolgte 2024, die Fertigstellung der ersten Ausbaustufe ist für 2027 geplant. Insgesamt sollen mehrere Hundert Beschäftigte auf dem Campus arbeiten, dessen modulare Struktur einen stufenweisen Ausbau vorsieht.
100 Prozent Grünstrom – Energieversorgung im Fokus
Ein Kernelement der Nachhaltigkeitsstrategie ist der konsequente Einsatz von Grünstrom. Schwarz Digits will die gesamte Server-Infrastruktur mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen. Dazu wird u.a. ein Direktbelieferungsvertrag (Power Purchase Agreement, PPA) mit einem Offshore-Windpark in der Ostsee vorbereitet. Zusätzlich sollen Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern sowie angrenzende Windkraftkapazitäten bereitgestellt werden.
Berechnungen zufolge wird der Strombedarf des neuen Zentrums im Endausbau über 500 Megawatt betragen. Zum Vergleich: Dies entspricht dem Jahresverbrauch einer mittelgroßen Stadt mit 300.000 Einwohnern.
Aktuellen Zahlen der Deutschen Energie-Agentur (dena) zufolge verbrauchen Rechenzentren in Deutschland jährlich etwa 18 Milliarden Kilowattstunden Strom – Tendenz steigend (Quelle: dena, 2024). Die Schwarz Gruppe will mit ihrer Planung nicht nur energetisch gegensteuern, sondern durch langfristige Stromverträge mehr Netzstabilität schaffen.
Abwärmenutzung und Fernwärmekonzepte
Ein innovatives Highlight: Die Abwärme der Server soll über ein eigens entwickeltes Wärmerückgewinnungssystem in das Fernwärmenetz der Region eingespeist werden. In Zusammenarbeit mit lokalen Energieversorgern entsteht derzeit ein Konzept, das perspektivisch bis zu 100.000 Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen kann – ein deutscher Rekord.
Dieses Vorhaben leistet nicht nur einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, sondern hebt auch die Ressourceneffizienz auf ein neues Niveau. Laut Umweltbundesamt gingen 2023 in Deutschland noch etwa zwei Drittel der in Rechenzentren entstehenden Abwärme ungenutzt verloren. Hier zeigt Schwarz Digits, wie eine zukunftsfähige Wärmewirtschaft aussehen kann.
KI-Infrastruktur in Europa – strategische Bedeutung
Ein besonderer Fokus des Lübbenauer Rechenzentrums liegt auf der Bereitstellung von Rechenleistung für Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Angesichts des Aufstiegs europäischer KI-Initiativen wie GAIA-X sowie des global wachsenden KI-Bedarfs ist der Aufbau eigener Hochleistungsrechenzentren mit Nachhaltigkeitsanspruch essenziell.
Die Nachfrage nach High Performance Computing (HPC) wächst: Der Markt für KI-spezifische Rechenzentrums-Services soll laut Gartner von heute ca. 30 Milliarden US-Dollar auf über 80 Milliarden im Jahr 2029 anwachsen (Quelle: Gartner, 2023).
Mit der geplanten Integration von GPU-basierten Systemen, Echtzeit-Verarbeitung großer Datenmengen sowie direkter Cloud-Connects stellt sich Schwarz Digits als potenzieller Anbieter für europäische KI-Startups, Forschungseinrichtungen und Konzerne auf.
Praktischer Tipp: Unternehmen, die selbst Hochleistungs-Workloads betreiben, sollten bei der Auswahl von Rechenzentren künftig auf folgende Kriterien achten:
- Verfügbarkeit von Grünstrom mit PPA-Absicherung
- Vorhandensein von Abwärmenutzung oder Klimalösungen
- Flexibles Skalierungsmodell für Edge- und KI-Workloads
Modulares Design und digitale Souveränität
Ein weiterer Pfeiler des Projekts ist die modulare Architektur. Die Gebäude werden in unabhängigen Clustern errichtet, mit Fokus auf Skalierbarkeit, Redundanz und Energieeffizienz. Jede Phase kann separat gewartet, erweitert oder transformiert werden – ein wichtiger Faktor im Kontext sich schnell entwickelnder Technologien wie KI und Quantencomputing.
Darüber hinaus trägt das Vorhaben zur digitalen Souveränität Deutschlands bei. Als Teil eines privatwirtschaftlichen Unternehmens mit klarer europäischer Verankerung bleibt die Souveränität über Daten und Infrastruktur gewahrt – ein Aspekt, der im Zuge des EU Data Act und geopolitischer Spannungen an Relevanz gewinnt.
Attraktivität für Investoren und Kommunen
Auch für die Stadt Lübbenau und das Land Brandenburg bietet das Projekt eine Vielzahl von Chancen. Neben den direkten Arbeitsplätzen entstehen neue Ausbildungsplätze, Technologie-Spin-offs und Möglichkeiten für lokale Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette.
Der Standort Lübbenau profitiert zudem von der geplanten Hochleistungs-Glasfaseranbindung. Diese Infrastruktur wird auch umliegenden Unternehmen und Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen, wodurch sich potenzielle Synergieeffekte ergeben.
Ein positiver Nebenaspekt: Schwarz Digits plant, neben dem Rechenzentrum auch ein Besucher- und Innovationszentrum zu errichten, das sich der Energie- und Datenökologie widmet. Damit wird der Wissenstransfer gefördert – ein echter Mehrwert für Standortmarketing und Akzeptanz.
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Im europäischen Wettbewerb um nachhaltige Rechenleistung hebt sich Lübbenau schon heute ab. Während in Skandinavien vor allem natürliche Kälte- und Wasservorkommen genutzt werden, setzt Schwarz Digits mit Fernwärmespeisung, regionalen Energiepartnerschaften und modularer Ausbaufähigkeit neue Benchmarks.
Laut Borderstep Institut (2024) betrugen die Energiestandards für neue Rechenzentren in Deutschland zuletzt durchschnittlich einen Power Usage Effectiveness (PUE) von 1,5 – Schwarz Digits visiert einen branchenführenden PUE-Wert unter 1,2 an.
Dieser Performance-Vorteil kann künftig entscheidend sein, wenn es um ESG-Konformität, Zulassungen und Förderfähigkeit von KI-Diensten in der EU geht.
Rechenzentren der Zukunft: Drei Empfehlungen für Entscheider
Für CIOs, IT-Planer und Infrastrukturverantwortliche ergeben sich aus Entwicklungen wie in Lübbenau konkrete Handlungsfelder:
- Langfristige Energieverträge abschließen: PPA-Modelle sichern nicht nur Preisstabilität, sondern fördern aktiv den Ausbau regenerativer Quellprojekte.
- Abwärme-Konzepte evaluieren: Wer an kommunale Wärmenetze anschließen kann, senkt CO₂ und erschließt Förderprogramme.
- In Standorte mit Souveränität investieren: Unternehmen sollten Rechenzentren bevorzugen, die EU-DSGVO, digital souveräne Steuerung und ESG-Kriterien erfüllen.
Ausblick und Community-Aufruf
Das Lübbenauer Rechenzentrum der Schwarz Gruppe zeigt eindrucksvoll, dass nachhaltige Digitalisierung kein Widerspruch ist. Technologie, Wirtschaftskraft und ökologische Verantwortung lassen sich verbinden – wenn Investition und Innovation zusammenspielen.
Welche Chancen seht Ihr in der Kombination aus KI-Infrastruktur und Grünstromlösungen? Wie können andere Kommunen und Betreiber von diesen Best Practices lernen? Diskutiert mit uns in den Kommentaren und teilt Eure Erfahrungen mit nachhaltigem IT-Betrieb.




