Mit seiner jüngsten Expansion nach Madrid und Finnland setzt der britische Hyperscale-Colo-Anbieter Pure DC ein deutliches Zeichen: Die Zukunft der Rechenzentrumsinfrastruktur in Europa ist stark von KI, Stromverfügbarkeit und geopolitischer Stabilität geprägt. Doch was steckt hinter der Strategie – und was bedeutet sie für die europäische Hosting- und Infrastrukturbranche?
Pure DCs Europa-Offensive: Madrid und Finnland im Fokus
Pure DC, ein wachstumsstarker Betreiber von Hyperscale-Rechenzentren mit Sitz in London, baut seine internationale Präsenz aus. Nach dem erfolgreichen Eintritt in den irischen Markt richtet das Unternehmen seinen Blick nun auf zwei strategisch wichtige Standorte: Madrid in Spanien und eine neue Hyperscale-Anlage im Süden Finnlands, die sich über beeindruckende 500 Megawatt (MW) skalieren lässt. Beide Regionen gelten als bedeutende Knotenpunkte für die künftige Entwicklung von KI-gestützter Infrastruktur in Europa.
Madrid ist bereits als aufstrebender Datenhub bekannt. Die spanische Hauptstadt profitiert von ihrer geografischen Lage als Gateway zwischen Europa, Lateinamerika und Nordafrika, sowie von der starken öffentlichen Investitionsbereitschaft in digitale Infrastruktur. Finnland hingegen bietet durch sein kühles Klima, seine politische Stabilität und einen der höchsten Anteile erneuerbarer Energieproduktion innerhalb der EU (87 % des Stroms stammen laut Statistics Finland 2024 aus CO₂-armen Quellen) einen idealen Standort für energieintensive Workloads wie Künstliche Intelligenz.
Warum gerade diese Standorte? Strategische Standortwahl als Schlüssel
Die Entscheidung für Madrid und Südfinnland ist nicht zufällig. Vielmehr folgt sie handlungsstarken Kriterien, die für das Hosting von KI- und Cloud-Infrastrukturen zunehmend entscheidender werden:
- Energieverfügbarkeit und -kosten: In Finnland liegt der durchschnittliche Industriestrompreis laut Eurostat im ersten Halbjahr 2024 bei nur 9,51 Cent/kWh – im Vergleich zu 13,69 Cent/kWh in Deutschland.
- Netzanbindung: Madrid ist Teil des DE-CIX Internetknotensystems und verfügt über direkte Glasfaserrouten nach Europa, Afrika und über den Marea-Transatlantikkabel nach Nordamerika. Finnland punktet mit Verbindungen zum russischen Backbone (in der Vergangenheit) und modernen Glasfaserprojekten wie C-Lion1 zu Mitteleuropa.
- Skalierbarkeit: Pure DC setzt in Finnland auf eine langfristig ausbaufähige Fläche von mehreren Hunderttausend Quadratmetern, mit 500 MW angestrebter Leistungskapazität in mehreren Phasen.
- Nachhaltigkeitsziele: Die nordischen Länder, insbesondere Finnland, dominieren das Feld CO₂-neutraler Rechenzentren. Hier kann Pure DC die eigene Net-Zero-Strategie effizient vorantreiben.
An beiden Standorten nutzt Pure DC einen modularen Campus-Ansatz mit zielgerichtetem Fokus auf Hyperscaler-Kunden aus den Bereichen Cloud, KI, Banking und Gesundheitswesen.
Treiber der Expansion: Künstliche Intelligenz, Cloud und Nachhaltigkeit
Der exponentielle Bedarf an KI-Rechenleistung stellt den zentralen Treiber für Investitionen in neue Hyperscale-Campusse dar. KI-Workloads erfordern enorme Mengen an GPU-basierten Clustern, die wiederum hohe Anforderungen an Stromdichte, Wärmemanagement und Netzwerkanbindung stellen. Laut einer Analyse von Dell’Oro Group steigen die Investitionen in AI-fähige Rechenzentren in Europa bis 2027 jährlich um durchschnittlich 17,6 %.
Die Initiative von Pure DC reiht sich in eine Welle strategischer Infrastrukturprojekte ein, die europaweit KI-Ökosysteme fördern sollen – von NVIDIAs Supercomputing-Zentren über Microsofts europäische Azure-Regionen bis zu den Hubs des Gaia-X-Projekts. Dabei spielt die Resilienz gegen Energieengpässe ebenso eine Rolle wie die Möglichkeit zur Integration alternativer Kühltechnologien wie Flüssigkeitskühlung oder Wärmerückgewinnung.
In Spanien nutzt Pure DC beispielsweise die Möglichkeit, Netzanschlüsse direkt beim Betreiber Red Eléctrica zu sichern – ein für Hyperscaler kritischer Aspekt, da lokale Stadtwerke oft nicht die Lastprofile bedienen können.
Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung
Doch Expansion bringt auch Herausforderungen mit sich. Neben regulatorischen Auflagen – etwa bei der Genehmigung großflächiger Infrastrukturen oder beim Wasserverbrauch für Kühlung – sehen sich Anbieter wie Pure DC mit einem angespannten Fachkräftemarkt konfrontiert. Besonders in Finnland sind Experten für kritische Rechenzentrumsbetriebstechnik rar.
Dem gegenüber stehen jedoch mehrere Chancen, etwa:
- first mover advantage: Marktanteilsgewinn durch frühe Positionierung vor Mitbewerbern
- lokale Förderprogramme: In Spanien sind bis 2027 über 3,8 Mrd. € aus dem EU-Resilienzfonds für digitale Infrastruktur eingeplant
- möglichkeit zur Integration mit Edge-Ressourcen dank modernem Glasfaserbackbone
Vor dem Hintergrund wachsender regulatorischer Anforderungen – etwa der Digital Operational Resilience Act (DORA) der EU sowie ESG-Reportingpflichten ab 2026 – positioniert sich Pure DC mit seinen Standorten auch compliance-technisch zukunftssicher.
Marktdynamik und Wettbewerb: Was bedeutet das für die Branche?
Durch die strategische Expansion von Pure DC verschiebt sich der europäische Hyperscale-Markt spürbar. Während Frankfurt, London, Amsterdam und Paris (FLAP) lange Zeit der Goldstandard für Colocation waren, gewinnt nun eine dezentralere Infrastrukturstrategie an Bedeutung. Madrid etabliert sich zunehmend als Sekundärmarkt mit Primärpotenzial, und Finnland könnte zur neuen Blaupause für klimaneutrale KI-Cluster werden.
Laut Structure Research nimmt der Colocation-Markt in Südeuropa jährlich um über 14 % zu. Madrid wächst sogar schneller als die etablierten FLAP-Regionen. Finnland wiederum ist auf dem Weg, ein Top-3-Standort für grüne Rechenzentren in Europa zu werden, mit erwarteten Investitionen von mehr als 2 Mrd. € bis 2028 (Quelle: Finnish Data Center Forum).
Marktbegleiter wie Equinix, Digital Realty oder NorthC reagieren mit eigenen Projekten in Nordspanien und Skandinavien. Dies dürfte den Wettbewerb verschärfen, gleichzeitig aber die technologische Innovationskraft und die Preisdiversität im Colocation-Segment erhöhen.
Handlungsempfehlungen für Marktteilnehmer
Für Cloud-Anbieter, Beratungsunternehmen und IT-Infrastrukturverantwortliche ergeben sich aus der Expansion von Pure DC mehrere strategisch relevante Punkte:
- Investitionsfokus anpassen: Evaluieren Sie neue Märkte außerhalb der klassischen FLAP-Regionen – insbesondere Südeuropa und Nordskandinavien – als mögliche Hosting-Alternativen für AI- oder HPC-Workloads.
- Nachhaltigkeitsstrategien integrieren: Nutzen Sie die Standortwahl als Argumentationshilfe für Net-Zero-Ziele gegenüber Stakeholdern und fördern Sie Rechenzentrumsprojekte mit rückgekoppelter Abwärmenutzung.
- Hybridmodelle prüfen: Kombinieren Sie Core-Hyperscale-Regionen mit regional verteilten Edge-Locations, um Latenzanforderungen für KI-Anwendungen optimal zu erfüllen.
Fazit: Der Ausbau Europas digitaler Fundament-Infrastruktur beginnt jetzt
Mit seiner Expansion nach Spanien und Finnland setzt Pure DC neue Maßstäbe für Skalierbarkeit, Energieeffizienz und Resilienz im Hyperscale-Bereich. Die strategisch gewählten Standorte bieten nicht nur kurzfristige Wachstumschancen, sondern auch eine Blaupause für die künftige Entwicklung verteilter, klimafreundlicher KI-Infrastruktur in Europa.
Wie positionieren sich Ihre Organisation und Ihre Hosting-Strategie im neuen europäischen Infrastrukturgefüge? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren, teilen Sie Ihre Praxiserfahrungen und lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft der digitalen Basisdienste gestalten.




