Die High-End-Halbleiterfertigung gilt als eines der zentralen Schlachtfelder der globalen Tech-Wirtschaft. Jahrzehntelang dominierte ASML den Markt für EUV-Lithografie nahezu unangefochten. Doch neue Player aus den USA setzen zum technologischen Gegenschlag an – mit innovativen Ansätzen, viel Risikokapital und ambitionierten Roadmaps.
ASML – Das Rückgrat der Chipindustrie
Die niederländische ASML Holding N.V. ist seit über 20 Jahren führender Anbieter von Lithografietechnologie, insbesondere im Bereich der extrem ultravioletten Lithografie (EUV), die für die Herstellung von Chips unter 7 nm essenziell ist. Mit Marktanteilen von rund 90 % im Bereich High-End-Lithografie (Quelle: TechInsights, 2024) und Kunden wie TSMC, Samsung und Intel ist ASML de facto systemrelevant.
Ihre EUV-Maschinen, die mehr als 200 Millionen Euro pro Stück kosten, nutzen optische Systeme von Zeiss und hochspezialisierte Laserquellen von Trumpf, um Strukturen im Bereich weniger Nanometer zu erzeugen. Für modernste Chips, die etwa in KI-Prozessoren oder Smartphones zum Einsatz kommen, ist dieser technologische Standard alternativlos – bislang.
US-Startups fordern das Litho-Monopol heraus
In Kalifornien und Massachusetts formiert sich jedoch ein neuer Konkurrenzkreis. Startups wie Molecular Vista, METiS Photonics und insbesondere Canon USA/Next-Gen Litho Inc. arbeiten an disruptiven Alternativen zur EUV-Technologie. Im Mittelpunkt stehen Direktbelichtungsverfahren, hybride E-Beam-Technologie oder neuartige Ansätze wie Photonen-induzierte Nanostrukturierung.
Laut einem Bericht von Lux Research aus dem dritten Quartal 2025 (Titel: „Disruptive Nanotech Lithography – Who’s Challenging EUV?“) arbeiten derzeit mindestens fünf US-Firmen aktiv an Next-Gen-Lithografieprozessen. Ihr Fokus: Weniger komplexe mechanische Systeme, niedrigere Kosten, mehr Flexibilität. Die Kapitalausstattung ist inzwischen beachtlich – allein das in San Diego ansässige Startup Luminecs konnte im Juli 2025 über eine Serie-C-Finanzierung 380 Mio. USD einsammeln (Quelle: Crunchbase, 24. Juli 2025).
Besonders vielversprechend ist das Verfahren von Next-Gen Litho Inc., das mithilfe von Multistrahl-E-Beam-Lithographie ohne Masken auskommt (Maskless Lithography). Die potenziellen Vorteile: Deutlich geringerer Ressourcenaufwand, einfachere Wartung und höhere Effizienz bei Prototyping und kleinen Volumen.
Technologischer Paradigmenwechsel oder Nischenlösung?
Während EUV-Lithografie auf komplexe Strahlengänge, Vakuumtechnik und Maskentechnologie angewiesen ist, versprechen die neuen Verfahren höhere Flexibilität und teilweise wegfallende Maskenproduktion – ein signifikanter Kostenfaktor. Doch der Teufel steckt im Detail.
Maskless-Lithografie etwa bietet aktuell noch nicht die erforderliche Skalierbarkeit für Volumenproduktion im Stil von TSMCs 5-nm-Knoten. Zudem gelten Faktoren wie Resistentenrotation, Strahlstabilität und Geschwindigkeit als unausgereift. Ein Bericht von Gartner (Q2/2025) prognostiziert, dass nicht-maskenbasierte Litho-Verfahren frühestens ab 2028 für High-Volume Manufacturing (HVM) tauglich sein könnten – eine Einschätzung, die auch Branchenanalystin Dr. Mei Ling Chang (MIT.nano) teilt.
Trotzdem gibt es bereits erfolgreiche Pilotlinien: Das US-Startup LithoLogic hat in Zusammenarbeit mit dem Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) einen funktionstüchtigen Prototyp geliefert, der Chips im 28-nm-Knotenbereich herstellt – für sicherheitsrelevante Anwendungen.
Geopolitische Sprengkraft der Technologiedominanz
Die EUV-Technologie ist nicht nur technologische, sondern auch geopolitische Schlüsselressource. Mit einem Exportverbot an chinesische Kunden seit 2019, das ASML aufgrund niederländischer Regulatorik und Druck der USA verhängte, zeigt sich: Wer die beste Lithotechnologie kontrolliert, kontrolliert auch geopolitische Hebel. Eine US-Initiative zur Repatriierung kritischer Fertigungskapazitäten – die unter dem „CHIPS and Science Act“ bereits rund 52 Milliarden USD an Subventionen für heimische Halbleiterfertigung bereitstellt – zielt folgerichtig auch auf ASMLs De-Facto-Monopol.
Ergänzt wird dies durch strategische Investitionen: So kündigte Intel 2025 an, eine eigene Inhouse-Fertigungslinie für Sub-5-nm-Strukturen auf US-Boden aufzubauen – einige der Zulieferfirmen sollen ausdrücklich auf nicht-niederländische Technologie zurückgreifen. Der geopolitische Subtext: Technologische Souveränität beginnt mit der Unabhängigkeit von EUV-Trägern.
Statistiken und Marktentwicklung
Ein Blick in die Zahlen zeigt die Relevanz des Themas: Laut einer Analyse von TrendForce (2025) werden bis 2030 über 85 % aller High-End-Chips in Knoten <7 nm auf EUV-basierten Verfahren basieren. Gleichzeitig zeigt eine Deloitte-Studie vom Mai 2025, dass 68 % aller befragten Halbleiterunternehmen in den nächsten fünf Jahren gezielt in alternative Lithographiemethoden investieren wollen – ein neuer Rekordwert.
Dies deutet auf eine wachsende Bereitschaft hin, technologische Risiken einzugehen, um mittelfristig Wettbewerbsvorteile oder geopolitische Resilienz zu erlangen.
Praktische Empfehlungen für Entscheider
- Technologieradar aktiv halten: CTOs und technische Leiter sollten neue Lithografieansätze kontinuierlich beobachten und auf Reifegrade prüfen, besonders im Kontext von Prototyping oder Low-Volume-Produktion.
- Kooperationsmodelle prüfen: Joint Ventures oder strategische Beteiligungen an US-Startups könnten langfristige Technologiezugänge sichern und Abhängigkeiten minimieren.
- Risikoanalyse erweitern: Geopolitische Spannungen und Exportbeschränkungen müssen als feste Variablen in der F&E-Planung berücksichtigt werden – insbesondere für Unternehmen mit globalen Lieferketten.
Was bedeutet das für die Zukunft der Branche?
Auch wenn ASML seine technologische Vormachtstellung kurzfristig vermutlich behaupten wird, zeichnet sich am Horizont ein Wandel ab. Der Innovationsdruck wächst, alternative Verfahren stehen nicht mehr nur in akademischen Papieren, sondern erhalten industrielles Investment und erste marktreife Demos. Sollte es einem der US-Player gelingen, eine kostengünstige, maskenfreie Alternative zur EUV-Lithografie zu entwickeln, wäre das ein disruptiver Moment in der Halbleiterindustrie.
Zudem zeigt sich, dass geopolitische Überlegungen zunehmend Innovationsentscheidungen treiben. Technologischer Fortschritt und nationale Sicherheitsinteressen verschmelzen zu hybriden Strategiezielen. Wer morgen noch Zugang zu welchem Fertigungsprozess hat, könnte letztlich über Wohlstand, Sicherheit und digitale Souveränität entscheiden.
Welche Rolle werden europäische Akteure künftig spielen? Ist Kooperation der Weg – oder Wettkampf? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren und folgen Sie unserem Newsletter für weitere Analysen zur Zukunft der Mikrochipbranche.




