Künstliche Intelligenz

Datenschutz bei Chatbots: Welche Informationen sind gefährdet?

Ein warm beleuchtetes, modernes Büro mit entspannten Menschen, die in heller, freundlicher Atmosphäre an einem Laptop konzentriert arbeiten, während sanftes Tageslicht durch große Fenster fällt und Vertrauen in den sicheren Umgang mit sensiblen Daten vermittelt.

Chatbots sind längst ein fester Bestandteil digitaler Kommunikation – ob im Kundenservice, bei Online-Shops oder als Assistenztools im Unternehmensalltag. Doch mit der Bequemlichkeit kommt ein Risiko: Sensible Daten gelangen oft unbemerkt in die Hände von Anbietern. Dieser Artikel beleuchtet die datenschutzrechtlichen Implikationen der Chatbot-Nutzung und zeigt, wie Nutzer sich schützen können.

Wissen, was gespeichert wird: Welche Informationen Chatbots sammeln

Bei der Interaktion mit KI-basierten Chatbots geben Nutzer oftmals mehr Informationen preis, als ihnen bewusst ist. Neben dem offensichtlichen Textinhalt werden auch Metadaten wie IP-Adressen, Zeitstempel, verwendete Geräteinformationen sowie Verhaltensmuster gesammelt. Gerade bei Conversational AI-Systemen, die auf Large Language Models (LLMs) basieren – wie ChatGPT von OpenAI, Bard (heute Gemini) von Google oder Claude von Anthropic – werden Nutzerinteraktionen systematisch analysiert, um die Modelle weiter zu verbessern oder Trainingsdaten zu evaluieren.

Eine Studie des Georgia Institute of Technology aus 2023 ergab, dass bei einer durchschnittlichen Nutzeranfrage an frei zugängliche Chatbots potenziell bis zu fünf personenbezogene Datenarten übertragen werden – darunter Name, Standort, berufliche Informationen und Suchintentionen.

Hinzu kommt: Viele Chatbot-Anbieter erklären in ihren Datenschutzrichtlinien, dass die Inhalte der Konversation zu Analysezwecken verwendet oder für die Modellverbesserung gespeichert werden dürfen. So heißt es etwa bei OpenAI ausdrücklich, dass Interaktionen zur Qualitätsverbesserung genutzt werden, sofern der Nutzer sich nicht explizit davon abmeldet.

Warnungen aus der Branche: Was Google-Entwickler zur Datennutzung sagen

Im Juni 2023 sorgte ein internes Memo von Google für Aufsehen, in dem Entwickler ausdrücklich davor warnten, sensible oder interne Informationen über Chatbots preiszugeben – selbst bei Tools aus eigenem Haus. Wie aus dem geleakten Dokument hervorging, sei die Gefahr groß, dass Informationen, die über Bard (nun Gemini) eingegeben werden, in zukünftige Modelupdates einfließen oder unbeabsichtigt geleakt werden könnten.

Die New York Times berichtete bereits im Juli 2023 darüber, dass mehrere große Tech-Unternehmen ihre Mitarbeitenden instruiert haben, keine vertraulichen Inhalte in öffentlich zugängliche KI-Modelle einzugeben. Auch Samsung hatte Monate zuvor Schlagzeilen gemacht, nachdem interne Code-Fragmente über ChatGPT nach außen gedrungen waren.

Diese Fälle zeigen deutlich: Die scheinbare Intelligenz und Gesprächsfreude von Bots darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Datenmaschinen sind – trainiert darauf, Muster zu erkennen, aber dabei selten zwischen vertraulich und öffentlich unterscheidend.

Rechtslage in Europa: DSGVO und der Graubereich der Chatbot-Nutzung

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt eigentlich klare Regeln zum Umgang mit personenbezogenen Daten auf. Doch bei der konkreten Anwendung auf Chatbots zeigen sich viele Grauzonen. So ist häufig unklar, ob Nutzer ausreichend informiert werden, wenn Interaktionen gespeichert oder analysiert werden. Derzeit ist laut Datenschutzkonferenz der Länder (DSK) die gängige Praxis vieler Chatbot-Anbieter nicht konform zur DSGVO, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Zweckbindung.

Interessant ist hierbei das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Az.: 6 L 738/23.WI), das im Februar 2024 die Nutzung des US-Sprachmodells ChatGPT an einer hessischen Schule untersagte – mit Verweis auf unzureichenden Datenschutz und fehlende Rechtsgrundlagen zur Datenverarbeitung in Drittstaaten.

Laut einer Umfrage der Bitkom vom Mai 2024 haben 71 % der deutschen Unternehmen Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von generativer KI aufgrund datenschutzrechtlicher Unsicherheiten. Dies legt nahe, dass der rechtliche Rahmen entweder schärfer definiert oder durch technische Schutzmaßnahmen flankiert werden muss.

Technologische Hintergründe: So funktionieren Data Pipelines bei Chatbots

Moderne Chatbots basieren auf LLMs, die über sogenannte Prompts angesprochen werden. Jeder Prompt erzeugt eine Antwort, die gleichzeitig Data Point für spätere Trainingsrunden sein kann. Anbieter wie OpenAI oder Anthropic speichern den Prompt, das Modellverhalten und gegebenenfalls anschließendes Nutzerfeedback – etwa über Daumen-hoch/-runter-Buttons.

Diese Feedbackdaten fließen teils automatisiert in Trainingsdatensätze ein oder werden zur Feinjustierung der Modelle (Reinforcement Learning from Human Feedback – kurz RLHF) genutzt. Problematisch ist, dass viele Anbieter nicht transparent machen, ob diese Datensätze anonymisiert, pseudonymisiert oder im Klartext gespeichert werden.

Zwar existieren Verfahren wie Differential Privacy oder Federated Learning, doch sind diese noch kein flächendeckender Branchenstandard. Laut einer Analyse der Electronic Frontier Foundation von November 2023 setzen weniger als 15 % der Chatbot-Anbieter explizite Privacy-by-Design-Prinzipien um.

Praxisbeispiel und Risikohorizont: Was man ungewollt preisgeben kann

Ein Beispiel aus der Beratungspraxis: Ein KMU-Mitarbeiter gibt zur Texterstellung einen Prompt wie „Formuliere eine Kunden-E-Mail zur Vertragsverlängerung mit Kundin Müller, Kundennummer 389241.“ ein. In diesem Moment gelangen personenbezogene Daten (Name, Vorgangsnummer) in die Server des Anbieters. Abhängig von dessen Infrastruktur (oft in den USA oder weltweit verstreut) und Verarbeitungstechniken kann diese Information ungenügend geschützt oder dauerhaft gespeichert werden.

Ähnliche Risiken zeigen sich im Bereich Healthcare oder LegalTech, wo medizinische oder juristische Sachverhalte zur Vereinfachung über Chatbots kommuniziert werden. Deloitte warnte in einem Report von 2024 davor, dass Health-Chatbots in der Praxis oft gegen HIPAA- oder europäische Datenschutzregelungen verstoßen, da keine ausreichende Data Governance besteht.

Schutz durch Aufklärung: Empfehlungen für Nutzer und Unternehmen

Wie können Organisationen und Einzelpersonen also sicherstellen, dass ihre sensiblen Daten beim Einsatz von Chatbots nicht in falsche Hände geraten?

  • Keine sensiblen Informationen eingeben: Verzichten Sie bewusst auf das Teilen personenbezogener Daten, Geschäftsgeheimnisse oder anderer schützenswerter Inhalte in Prompts, vor allem bei öffentlich zugänglichen Tools.
  • Datenschutzeinstellungen überprüfen: Viele Anbieter erlauben es (teils versteckt), die Weiterverwendung von Daten zu deaktivieren. Suchen Sie nach Einstellungen wie „Verlauf speichern“ oder „Daten für Trainingszwecke verwenden“ und deaktivieren Sie diese Optionen.
  • Eigen gehostete Chatbots bevorzugen: Unternehmen mit erhöhtem Datenschutzbedarf sollten selbst betriebene LLMs einsetzen, z. B. Open-Source-Modelle wie LLaMa2 oder Mistral, die lokal ohne Datenweitergabe betrieben werden können.

Ausblick: Zwischen Regulierung und technischer Reife

Der Schutz von Daten in Chat-Kontexten wird zum zentralen Compliance-Thema der digitalen Dekade. Während die Europäische Union mit dem AI Act ab 2026 erstmals konkrete Regelungen für generative KI vorsieht, bleibt der Wildwuchs der Anbieter aktuell noch schwer kontrollierbar. Transparente Anbieterpraktiken, stärkere Nutzeraufklärung und ein klarer rechtlicher Rahmen sind essenziell.

Gleichzeitig liegt eine Verantwortung bei den Nutzern selbst: Wer versteht, wie KI-Modelle funktionieren und welche Datenströme involviert sind, kann bewusster entscheiden, wann und wie er mit einem Bot interagiert. Schulungen, Aufklärungskampagnen und datenschutzfreundliche Defaults würden hier viel bewirken.

Wenn Datenschutz und KI zusammen gedacht werden, entsteht nicht nur Vertrauen – sondern ein technologisches Fundament für die digitale Zukunft Europas.

Diskutiert mit uns: Welche Anforderungen sollte aus eurer Sicht ein datenschutzkonformer Chatbot erfüllen? Welche Tools nutzt ihr im Alltag – und wie schützt ihr eure Daten dabei?

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