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Deutsche Bahn und Elektromobilität: Großauftrag an MAN und die elektrische Zukunft des Nahverkehrs

Ein strahlender, sonnendurchfluteter städtischer Busdepot-Hof mit modernen, elektrisch betriebenen MAN-Bussen, vor einem klaren blauen Himmel, in dem engagierte Fahrer und Techniker in lebhafter Atmosphäre lächelnd zusammenarbeiten und so den Aufbruch zu sauberer, nachhaltiger Mobilität symbolisieren.

Die Mobilitätswende im deutschen Nahverkehr nimmt Fahrt auf – mit einem Milliardenauftrag der Deutschen Bahn an MAN Truck & Bus. Über 3.000 neue Busse sollen in den kommenden Jahren ausgeliefert werden. Im Zentrum dieser Beschaffungswelle steht ein Ziel: Elektrifizierung, Dekarbonisierung und die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs.

Ein Beschaffungsrekord mit Signalwirkung

Was in einer gemeinsamen Pressemitteilung im Juni 2024 bekannt gegeben wurde, hat weitreichende Bedeutung: Die Deutsche Bahn (konkret ihre Tochtergesellschaft DB Regio Bus) hat bei MAN Truck & Bus mehr als 3.000 Busse bestellt – dies ist der größte Einzelauftrag, den MAN je aus dem öffentlichen Sektor erhalten hat. Etwa 1.200 dieser Busse sollen elektrisch betrieben werden, damit gehört die Lieferung zu den größten Elektromobilitätsprojekten im ÖPNV Europas.

„Mit diesem Schritt tragen wir zur Erreichung unserer Klimaziele bei und bieten unseren Fahrgästen modernste und komfortable Mobilität“, so Evelyn Palla, Vorständin für Regionalverkehr bei DB Regio. Ziel ist es, bis 2038 die gesamte Busflotte der DB klimaneutral betreiben zu können. Der Auftrag an MAN stellt dafür einen Meilenstein dar.

Hochlauf der Elektromobilität im ÖPNV

Die Entscheidung der Bahn kommt zur richtigen Zeit: Der öffentliche Personennahverkehr steht im Zentrum der deutschen Klimapolitik. Laut dem Umweltbundesamt waren Busse 2023 für 0,6 % der verkehrsbedingten CO₂-Emissionen verantwortlich – ein vergleichsweise kleiner, aber relevanter Anteil. Die Elektrifizierung der Busflotten in Städten und Regionen gilt als Hebel zur Reduktion verkehrsbedingter Emissionen, insbesondere in innerstädtischen Bereichen.

Der Markt für E-Busse wächst rasant. Nach Zahlen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wurden 2023 in Deutschland rund 1.500 neue Elektrobusse in Betrieb genommen – ein Plus von 32 % gegenüber dem Vorjahr. Dennoch machen E-Busse bislang nur rund 9 % der Gesamtbusflotte im Linienverkehr aus. Mit dem DB-MAN-Großauftrag könnte sich dieser Anteil deutlich beschleunigt erhöhen.

Zukunftstechnologien made in Germany

Die nun bestellten Fahrzeuge umfassen nicht nur klassische E-Busse, sondern auch sogenannte Low-Entry-Modelle, mit barrierefreiem Zugang sowie intelligenter Infrastrukturkompatibilität. Der MAN Lion’s City E – das zentral bestellte Modell – ist mit Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Akkus ausgestattet und erreicht eine Reichweite von bis zu 350 Kilometern (unter optimalen Bedingungen). Geladen wird mit modernen Depotladesystemen – ein zentraler Bestandteil der daraus folgenden Infrastrukturplanung.

MAN selbst investiert über 200 Millionen Euro in die Elektrifizierung seines Werkes in Starachowice (Polen) sowie in die Entwicklungszentren in Deutschland. Ein Großteil der Busse wird dort produziert, wodurch auch industrielle Wertschöpfung im Inland und in der EU gesichert bleibt.

Strategisches Signal der Deutschen Bahn

Die Entscheidung für einen einzigen Großauftrag an MAN ist mehr als nur wirtschaftlicher Pragmatismus: Sie markiert einen strategischen Richtungswechsel hin zur Flottenharmonisierung und einem ganzheitlichen Betriebskonzept. Durch die Konzentration auf einen Hersteller lassen sich Schnittstellen vereinfachen, Schulungskosten reduzieren und Serviceprozesse standardisieren.

Zudem setzt die Bahn damit ein Signal für andere Verkehrsbetriebe. Denn mit einem einzigen Auftrag einen bedeutenden Anteil der E-Bus-Nationallieferungen zu tätigen, zeigt politische Entschlossenheit und wirtschaftliche Machbarkeit. Die DB investiert in moderne Telematiksysteme, digitale Wartungsmodelle und ladeinfrastrukturbasierte Betriebshöfe – viele davon kofinanziert durch Programme wie Klimaschutzoffensive im ÖPNV der KfW oder das EU-Programm CEF.

Herausforderungen bei der Umsetzung

So ambitioniert das Projekt ist, so komplex ist seine Realisierung. Die Umstellung von Diesel- auf Elektrobetrieb verlangt umfangreiche Schulungen für Fahrer und Wartungsteams. Auch die Ladeinfrastruktur muss neu gedacht werden. Während Depots sich vergleichsweise leicht umrüsten lassen, sind Zwischenladestationen im Linienbetrieb teuer und planerisch aufwendig.

Ein zentrales Hindernis ist die Stromversorgung: Laut Bundesnetzagentur könnten in manchen Regionen Engpässe entstehen, wenn zahlreiche große Ladeparks gleichzeitig ans Netz gehen. Um dem entgegenzuwirken, arbeitet die DB mit Netzbetreibern und Kommunen an sogenannten Smart Charging-Konzepten. Diese steuern Ladezeiten dynamisch nach Netzauslastung und Energiepreisen.

Experteneinschätzungen

Mobilitätsforscher Prof. Dr.-Ing. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin sieht die Bestellung als „massiven Hebel für die Elektrifizierung im ländlichen Raum“: „Während Großstädte wie Hamburg oder Berlin mit eigenen Verkehrsbetrieben schon lange an der Elektrifizierung arbeiten, fehlen den Regionalbussen oft die Mittel und Prozesse – hier schließt die DB nun eine strategische Lücke.“

Dr. Martina Niemeyer, Leiterin Innovation beim VDV, ergänzt: „Technisch sind wir bereit. Die Herausforderungen liegen im Betriebskonzept. Wer das Fahrpersonal, die Ladezeiten und die Netzkapazitäten im Griff hat, kann mit Elektroflotten zuverlässig und wirtschaftlich fahren.“

Hinzu kommt die Frage der Förderung. Der Bundeshaushalt 2026 sieht laut BMVI-Entwurf über 1 Milliarde Euro Förderung für E-Nahverkehr vor – eine Verdopplung gegenüber 2023. Solange diese Mittel planungssicher abrufbar sind, wird der Hochlauf weiter an Fahrt gewinnen.

Europa und die globale Einordnung

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld: Zwar war 2023 laut European Alternative Fuels Observatory (EAFO) jeder siebte neu zugelassene Linienbus elektrisch, doch Länder wie die Niederlande oder Norwegen sind weit voraus. Dort liegt der E-Anteil bereits bei über 40 % (Niederlande) bzw. 65 % (Norwegen) am jährlichen Neufahrzeugmix.

Mit einer Flottenerweiterung dieser Größenordnung kann Deutschland aber aufholen und seine Stellung als Leitmarkt für Elektromobilität im ÖPNV untermauern. Zudem stärkt dieser Auftrag die industrielle Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hersteller – ein Argument, das vor dem Hintergrund internationaler Konkurrenz aus China zunehmend Bedeutung gewinnt.

Praktische Handlungsempfehlungen für Kommunen & Verkehrsbetriebe

  • Frühzeitig Ladeinfrastruktur planen: Eine erfolgreiche Integration benötigt mindestens 18 Monate Vorlauf für Genehmigungen, Netzplanung und Bau. Der parallele Ausbau mit Fahrzeugbeschaffung ist entscheidend.
  • Fahr- und Wartungspersonal einbinden: Schulungen und Change-Management erhöhen Betriebssicherheit und Fahrzeugeffizienz. E-Busse erfordern neue Bedien- und Diagnoseprozesse.
  • Synergien mit regionalen Energieversorgern nutzen: Lokale Stadtwerke können oft günstigere Netzanschlüsse oder Ökostromtarife bereitstellen. Strategische Kooperationen zahlen sich langfristig aus.

Fazit: Chance für die Verkehrswende

Der Großauftrag der Deutschen Bahn an MAN markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland. Technologisch ambitioniert, ökologisch notwendig und industriepolitisch klug – diese Beschaffung zeigt, wie ernsthaft die Verkehrswende mittlerweile betrieben wird. Entscheidender Faktor bleibt die Umsetzung in den Regionen – hier wird sich zeigen, ob aus der Pioniertat ein echter Strukturwandel entsteht.

Die Elektromobilität im Nahverkehr ist kein Zukunftsthema mehr – sie ist Gegenwart. Diskutieren Sie mit: Wie sehen Sie die Rolle der Bahntochter DB Regio als Treiber emissionsfreier Mobilität? Welche Erfahrungen machen Städte und Kommunen mit E-Bussen in Ihrem Umfeld?

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