Mit dem geplanten Bau eines riesigen Rechenzentrums im Industriepark Frankfurt Höchst positioniert sich der US-amerikanische Colocation-Anbieter CloudHQ strategisch im Zentrum des europäischen Internetverkehrs. Doch der Schritt bringt nicht nur wirtschaftliche Impulse, sondern konfrontiert alle Beteiligten auch mit infrastrukturellen, regulatorischen und ökologischen Herausforderungen.
Ein globaler Player setzt auf Frankfurt
CloudHQ gehört zu den führenden Betreibern hyperskaler Rechenzentren weltweit. Das Unternehmen mit Sitz in Washington D.C. ist vor allem für seine Zusammenarbeit mit Großkunden aus dem Cloud-Umfeld bekannt, darunter Amazon, Microsoft und Google. Die Expansion nach Frankfurt markiert einen wichtigen Meilenstein in der europäischen Wachstumsstrategie des Unternehmens. Laut Angaben von CloudHQ plant das Unternehmen, mehrere hundert Millionen Euro in den Bau des neuen Rechenzentrums am Standort Industriepark Höchst zu investieren – einem traditionsreichen Areal, das bisher vor allem durch chemienahe Industrie geprägt war.
CloudHQs Entscheidung für Frankfurt ist kaum überraschend: Die Mainmetropole gilt spätestens seit der Jahrtausendwende als Europas wichtigster Internetknotenpunkt. DE-CIX, der größte Internet Exchange der Welt gemessen am Datendurchsatz, unterstreicht die strategische Bedeutung. Zudem bieten die stabile Stromversorgung, das gut ausgebaute Glasfasernetz und die zentrale Lage innerhalb Europas starke Standortvorteile für die Hosting-Industrie.
Frankfurt zieht damit nicht nur Hyperscaler an, auch andere Branchengrößen wie Equinix, Digital Realty und Interxion haben hier bereits ihre Infrastruktur massiv ausgebaut. Der Wettbewerb um Flächen, Strom und Genehmigungen ist entsprechend hoch.
Rechenzentren im Industriepark Höchst: Technik trifft Chemie
Besonders brisant: CloudHQ plant sein neues Datencenter im Industriepark Höchst – dem früheren Stammsitz der Hoechst AG, heute ein industrieller Hochsicherheitsbereich unter der Leitung von Infraserv Höchst. Auf rund 460 Hektar Fläche arbeiten mehr als 90 Unternehmen, darunter Sanofi, Bayer oder Clariant. Die geplante Integration eines hyperskaligen Rechenzentrums wirft daher komplexe Fragen zur Flächennutzung, Energie- und Sicherheitsarchitektur auf.
Dabei verfolgt CloudHQ ein besonders ambitioniertes Projektvolumen. Die Landesregierung Hessen nennt eine geplante Bruttorechenzentrumsfläche von mehr als 100.000 Quadratmetern mit einer IT-Leistung, die perspektivisch 100 MW übersteigen könnte. Zum Vergleich: Laut Bitkom liegt die durchschnittliche IT-Leistung stationärer Rechenzentren in Deutschland bei rund 2,5 MW.
Regulatorische Hürden in Deutschland – Bürokratie als Wachstumsbremse?
So vielversprechend das Vorhaben klingt, der Genehmigungsprozess bleibt eine der größten Herausforderungen. Der deutsche Regulierungsrahmen für Großprojekte gilt als komplex. Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, Bauleitplanung, naturschutzrechtlicher Prüfung und technischer Risikoabschätzung können mehrere Jahre dauern. Hinzu kommt die Lage im Chemiepark, die mit erhöhten Sicherheitsauflagen einhergeht.
Experten kritisieren genau hier eine wachsende Lücke zwischen politischem Anspruch und behördlicher Realität. Während die Bundesregierung Rechenzentren als „kritische digitale Infrastruktur“ einstuft und ihren Ausbau fördert, hemmen lange Bearbeitungsphasen Projekte wie das von CloudHQ. Laut einer Erhebung des Branchenverbands Bitkom (2023) benötigen große Rechenzentrumsprojekte in Deutschland im Schnitt 36 bis 48 Monate von der Planung bis zur Inbetriebnahme.
In Frankfurt allerdings gibt es positive Entwicklungen: Die Stadt hat schon 2022 ein Sonderbauflächen-Konzept für Rechenzentren verabschiedet und mit dem “Bebauungsplan Nr. 826” erste Grundlagen für eine zügigere Abwicklung geschaffen. Dennoch: Als potenzielles Problem gelten auch hier Engpässe in Stromversorgung, Flächenerschließung und netztechnischer Integration.
Energiebedarf und Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter
Ein weiterer kritischer Faktor ist der enorme Energiebedarf hyperskaler Rechenzentren. Laut einer Studie des Borderstep Instituts (2024) ist der Stromverbrauch von Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2023 auf 18,5 TWh gestiegen – ein Anstieg um 13 % gegenüber dem Vorjahr. Der Trend wird sich laut Prognosen weiter verschärfen, vor allem durch KI-Anwendungen und Cloud-Dienstleistungen.
CloudHQ betont, in Frankfurt Höchst auf modernste Kühlungssysteme, Abwärmenutzung und optimierte Stromversorgung setzen zu wollen. Ziel sei ein PUE (Power Usage Effectiveness) von unter 1,25 – ein ambitionierter Wert, der deutlich unter dem Branchendurchschnitt von etwa 1,55 liegt (Uptime Institute, Global Data Center Survey 2023).
Zudem sei geplant, aus Abwärme der Server langfristig Fernwärmelösungen für die lokale Umgebung zu speisen. Ob und wann dies technisch umsetzbar sein wird, hängt jedoch auch von externen Partnern und kommunalen Infrastrukturen ab.
Lokale Wirtschaftsimpulse und Jobmarkt
Abseits der planerischen und technischen Herausforderungen eröffnet CloudHQs Expansion auch Chancen für die lokale Wirtschaft. Bau, Wartung und Betrieb eines solchen Rechenzentrums schaffen zahlreiche Arbeitsplätze in spezialisierten und unterstützenden Branchen. Laut einer Untersuchung von eco – Verband der Internetwirtschaft (2021) entstehen pro neuem Rechenzentrum durch direkte und indirekte Effekte durchschnittlich 800 bis 1.200 neue Jobs.
Insbesondere in der Rhein-Main-Region mit ihrer hohen Dichte qualifizierter IT-Fachkräfte könnte CloudHQ auf ein starkes Personal-Ökosystem zugreifen. Zudem stärken Investitionen dieser Größenordnung den Standort und wirken als Signal für weitere Ansiedlungen. Kommunalpolitiker sehen darin eine neue Chance, den Strukturwandel im ehemals chemisch geprägten Industriepark weiter voranzutreiben.
Drei Handlungsempfehlungen für Beteiligte und Beobachter
- Städte und Kommunen sollten digitale Infrastrukturflächen frühzeitig planerisch sichern. Das Beispiel Frankfurt zeigt, wie wichtig proaktive Bauleitplanung für die Ansiedlung von Hyperscalern ist.
- Betreiber sollten frühzeitig in den Dialog mit Genehmigungsbehörden und Anwohnern treten. Transparente Kommunikation kann Genehmigungsverfahren beschleunigen und gesellschaftliche Akzeptanz fördern.
- Nachhaltigkeitsaspekte müssen bereits in der Planung priorisiert werden. Abwärmenutzung, Strommix und Energieeffizienz sind zunehmend zentrale Standortfaktoren – nicht nur für Investoren, sondern auch für Kunden und Politik.
Fazit: Der Standort Frankfurt als Lackmustest für die Rechenzentrumszukunft
CloudHQs Vorhaben im Industriepark Höchst vereint viele zentrale Fragen zur digitalen Zukunft Deutschlands: Wo und wie entstehen die digitalen Backbones von morgen? Welche Infrastruktur und Prozesse braucht es, um zukunftsfähige digitale Ökosysteme zu entwickeln? Und wie können wirtschaftliche Dynamik und ökologische Verantwortung sinnvoll kombiniert werden?
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Frankfurt zum Modell für nachhaltige Rechenzentrumsexpansion in Europa wird – oder ob Bürokratie, Energieengpässe und Akzeptanzdefizite das Projekt ausbremsen. Die Diskussion ist eröffnet. Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren: Welche Rolle sollten Hyperscaler künftig in deutschen Industrieparks spielen?




